„Das Auto denkt unterwegs künftig mit“

Wie sieht das Auto aus, das künftig aus den Fabriken der Volkswagen AG kommt? Es soll autonom fahren können, gleichzeitig mitdenken und auch zahlreiche nützliche Informationen per Internet übermitteln. Auch die Werke von Volkswagen werden sich stark verändern. Wie das alles möglichst schnell realisiert werden soll, erläuterte in Wolfsburg Karlheinz Blessing, VW-Vorstand für Informationstechnologie (IT) und Personal, im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

 Volkswagen will in den Fabriken die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ausbauen. Foto: dpa

Volkswagen will in den Fabriken die Zusammenarbeit von Mensch und Roboter ausbauen. Foto: dpa

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Was verspricht sich Volkswagen von der neuen Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz (DFKI) mit Standorten in Saarbrücken, Kaiserslautern, Bremen als größter Forschungsinstitution dieser Art weltweit?

Blessing: Wir verstehen die Zusammenarbeit mit dem DFKI als wichtige Investition in unsere Zukunft. Künstliche Intelligenz ist eine der Schlüsseltechnologien für das autonome Fahren, ebenso für die gemeinsame Arbeit von Mensch und Roboter in der Fabrik. Die Automobilindustrie hat es mit leistungsstarken neuen Wettbewerbern aus dem Silicon Valley in den USA zu tun, die auf dem Gebiet der Software-Entwicklung bisher einen Know-how-Vorsprung besitzen. Wir haben uns vorgenommen, diesen Vorsprung einzuholen. Die Zusammenarbeit mit dem DFKI wird uns einen kräftigen Schub geben.

Was genau kann diese Zusammenarbeit bewirken?

Blessing: Wir erwarten neue Impulse für die Digitalisierung unserer Fabriken . Dazu zählt auch die intelligente Kooperation von Mensch und Roboter . In einem Projekt auf diesem Gebiet haben IT-Experten von Volkswagen und des DFKI schon sehr gute Fortschritte erzielt. In der vergangenen Woche haben sie dazu in Wolfsburg ein bahnbrechendes Ergebnis ihrer Arbeit präsentiert: einen Roboter , der sich intuitiv mit Gesten bedienen lässt, der sensorübergreifend seine Umgebung erfasst und selbstständig ausweicht, um Kollisionen zu vermeiden. Das ist die Voraussetzung für echte Zusammenarbeit von Mensch und Roboter .

Welche Chancen der Zusammenarbeit mit dem DFKI ergeben sich mit Blick auf das Auto ?

Blessing: Da gibt es eine Vielzahl von Themen, denn ein autonom fahrendes Auto muss immer auch ein mitdenkendes Auto sein. Zum einen erwarten Autofahrer zahlreiche zusätzliche Dienstleistungen und Informationen, die sie entweder gleich mitkaufen oder auf Zeit hinzubuchen können. Nur wer hier intelligente, passgenaue Lösungen und erstklassige Benutzerfreundlichkeit bietet, wird die Kunden überzeugen. Zum anderen wird das Auto viel mehr sein als ein fahrender Internet-Zugang mit Entertainment-Angebot. Autos werden sich gegenseitig vor Unfallstellen, Aquaplaning warnen, sie werden selbstständig ihre Fahrweise anpassen und Staus auf alternativen Routen umfahren.

Was ist künftig noch möglich?

Blessing: Auch Lkw werden vernetzt fahren. Wenn sie gemeinsam in kurzen, aber trotzdem sicheren Abständen unterwegs sind, fahren sie effizienter. MAN und Scania testen das bereits. Es wird selbstverständlich werden, dass Autofahrer im Fahrzeug ihre gewohnte Nutzer-Umgebung vorfinden, ohne sich kompliziert einloggen zu müssen. Wir wollen in all diesen neuen Technologien die Nase vorn haben. Unserer IT kommt deshalb bei Themen wie künstlicher Intelligenz , Mensch-Roboter-Kooperation, Augmented Reality und digitalen Kundenlösungen eine Schlüsselrolle zu. Sie hat sich zu einer Innovationsschmiede entwickelt.

Wird Volkswagen durch die Digitalisierung zu einem Software-Unternehmen?

Blessing: Mobile und digitale Welt wachsen zusammen. Schon heute haben Elektronik- und Software-Lösungen einen hohen Anteil an der automobilen Wertschöpfung. Der Anteil wächst. Zusätzlich entstehen neue digitale Geschäftsfelder rund um unsere Fahrzeuge.

Wo entstehen diese Ideen?

Blessing: Wir haben beispielsweise unsere Labs in Berlin, München und San Francisco. Dort arbeiten unsere IT-Experten wie im Silicon Valley: Programmierer, Data Scientists, Design Thinking-Experten und Cloud-Architekten. Das Data Lab in München ist ein Vorreiter bei der Erschließung wichtiger Zukunftstechnologien. Dort kooperieren Mitarbeiter der Konzern IT eng mit externen Partnern wie Start-up-Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Technologiefirmen.

Im Digital Lab in Berlin arbeiten unsere Experten an einem digitalen Ökosystem, das unseren Kunden eine neue User Experience, neue Mobilitätsservices sowie Dienste rund um das vernetzte Fahrzeug bieten wird. Wir schaffen dort völlig neue Angebote. Volkswagen wird damit vom Automobilhersteller zum Mobilitätsanbieter.

Für Auto-Fabriken arbeiten Sie mit dem DFKI an Konzepten, besonders an der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter .

Blessing: Wir sehen die Digitalisierung klar als Chance, Industriearbeit in Deutschland zu sichern, und die wollen wir nutzen. Digitalisierung kann uns bei Fertigungskosten helfen und uns wettbewerbsfähiger machen. Intelligenten Robotern werden wir ergonomisch ungünstige Arbeiten überlassen können. Es wird Tätigkeiten geben, die durch Digitalisierung effizienter und gesünder erledigt werden können. Digitalisierung und Mensch-Roboter-Kooperation werden neue, höherwertige Aufgaben schaffen: Programmierung, Wartung und Steuerung von Anlagen.

Kommt es künftig wirklich zu einer Arbeitsteilung oder wird der Mensch nicht eher ersetzt?

Blessing: Wir gehen davon aus, dass es eine neue, intelligente Kooperation zwischen Mensch und Maschine geben wird. Mensch und Roboter können einfacher und direkt miteinander kommunizieren. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie Aufgaben gemeinsam erledigen können. Es wird keine menschenleere Fabrik geben. Es geht um eine neue Art der Zusammenarbeit, bei der der Mensch nach wie vor die Hauptrolle einnimmt. Die Digitalisierung und die neue Form der Zusammenarbeit stellen aber höhere Anforderungen an die Qualifikation. Viele Berufsbilder werden sich verändern.

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