Automobilindustrie Daimler wegen Dieselskandal massiv unter Druck

Stuttgart · Das Amtsgericht Stuttgart rechnet mit einer Million Autos, in die Motoren mit manipulierter Abgas-Messsoftware eingebaut sein könnten.

 Das hilft auch das Polieren am Image wenig. Der Daimler-Konzern muss ebenfalls seine Diesel-Vergangenheit aufbereiten. Wie das ganze endet, ist derzeit offen.

Das hilft auch das Polieren am Image wenig. Der Daimler-Konzern muss ebenfalls seine Diesel-Vergangenheit aufbereiten. Wie das ganze endet, ist derzeit offen.

Foto: dpa/Laurent Dubrule

() Der Autobauer Daimler gerät im Abgasskandal immer mehr in Bedrängnis. Die Ermittlungen zu möglichen Manipulationen bei dem Konzern betreffen nach Medienberichten weitaus mehr Diesel-Fahrzeuge als ursprünglich abgenommen: Nach Informationen von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR könnten bei mehr als einer Million Fahrzeugen Motoren mit manipulierter Abgas-Messsoftware eingebaut sein. Das gehe aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart hervor. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bestellte als Reaktion auf den Bericht Verantwortliche des Unternehmens ein. Daimler selbst wollte die Vorwürfe gestern mit dem Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht kommentieren. Auch die Staatsanwaltschaft äußerte sich nicht zu diesen Details.

Nach Angaben des Bundesverkehrsministerium hat die Diesel-Untersuchungskommission Daimler-Vertreter zu einer Sondersitzung eingeladen, um den Vorwürfen nachzugehen. Die Kommission war nach dem VW-Dieselskandal eingesetzt worden und hatte nach umfangreichen Untersuchungen auffällige Abgaswerte auch bei anderen Herstellern entdeckt, darunter Daimler. Zuletzt war für Audi ein Pflicht-Rückruf angeordnet worden.

Der Fall beschäftigt den Stuttgarter Autobauer  schon seit einiger Zeit. Es begann in den Vereinigten Staaten, seit Ende März ermittelt aber auch die heimische Justiz wegen Verdachts des Betrugs und der strafbaren Werbung gegen Mitarbeiter aus dem Unternehmen. Zwei sind namentlich bekannt, hinzu kommen noch weitere unbekannte, wie die Ermittler gestern bestätigten. Im Mai wurden bereits verschiedene Standorte durchsucht. Der entsprechende Gerichtsbeschluss ist Grundlage des Berichts von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und NDR.

Demzufolge soll Daimler in den Jahren von 2008 bis 2016 in Europa und den Vereinigten Staaten Fahrzeuge mit unzulässig hohem Schadstoffausstoß verkauft haben. Zwei Motorenklassen hätten eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten, mit der die Schadstoffreinigung auf dem Prüfstand eingeschaltet, auf der Straße jedoch weitgehend ausgeschaltet worden sein soll. Eine Daimler-Sprecherin sagte zur aktuellen Entwicklung: „Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden. Spekulationen kommentieren wir nicht.“

Daimler hat immer betont, sich an geltendes Recht gehalten zu haben. Der Streitpunkt ist, wie auch bei den anderen Herstellern, ein Thermofenster, das die Abgasnachbereitung in bestimmten Temperaturbereichen herunterregelt, um Bauteile im Motor zu schützen, wie die Hersteller argumentieren. Organisationen wie die Deutsche Umwelthilfe hingegen kritisieren, dass die entsprechende Verordnung der Europäischen Union zu weit ausgelegt werde.

Wie auch andere Hersteller hatte sich Daimler mit dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) darauf geeinigt, insgesamt 247 000 Fahrzeuge freiwillig zurückzurufen, um die Technik anzupassen. Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller forderte als Konsequenz aus den jüngsten Vorwürfen die Bundesregierung zum Handeln auf: „Das Typgenehmigungsverfahren für Autos muss reformiert werden. Wir brauchen unabhängige Prüfungen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (VZBV) dem „Handelsblatt“.

Unter den Autobauern ist seit langer Zeit vor allem Volkswagen im Fokus. Der Konzern hatte bereits im September 2015 eingeräumt, bei Millionen Dieselautos Abgastests manipuliert zu haben. Dies hatte den Konzern in eine schwere Krise gestürzt und Milliarden gekostet. Der Volkswagen-Skandal führte in der Folge zu Abgas-Untersuchungen auch bei anderen Herstellern.

Abgas-Manipulationen sind Daimler bisher noch nicht nachgewiesen worden. Umweltorganisationen und US-Anwälte erheben diesen Vorwurf. Autobesitzer in den Vereinigten Staaten reichten bereits eine Sammelklage ein und warfen den Schwaben manipulierte Stickoxid-Werte und auch eine irreführende Werbung vor.

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