EU Die EU fördert grüne Finanzprodukte

Brüssel · Brüssel hat jetzt Klarheit darüber geschaffen, welche Geldanlagen für sich beanspruchen können, den Klimaschutz zu fördern.

 Geldanlagen in Windräder gelten als förderwürdig, während Atomenergie und Kohle nach Ansicht der EU diese Kriterien nicht erfüllen.

Geldanlagen in Windräder gelten als förderwürdig, während Atomenergie und Kohle nach Ansicht der EU diese Kriterien nicht erfüllen.

Foto: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Grün ist in. Dieser Trend gilt auch für den Finanzmarkt. Rund 200 Milliarden Euro, so erwarten US-Ratingagenturen, werden Anleger weltweit am Ende dieses Jahres in nachhaltige Finanzpapiere und Staatsanleihen gesteckt haben. Doch bislang war noch höchst unklar, ob auch wirklich alles grün ist, was grün daher kam.

Zumindest die Europäische Union hat in der Nacht zum Dienstag erste Klarheit geschaffen. Wichtigstes Ergebnis: Atomenergie und Kohle zählen nicht mehr zu den Anlagen, die die geforderten Kriterien erfüllen. „Der Weg ist frei für glaubwürdige nachhaltige Finanzprodukte ohne Greenwashing durch Atomkraft“, sagte der finanzpolitische Experte der Grünen-Europafraktion, Sven Giegold.

Der Schlüsselsatz lautet: Als nachhaltig gilt, was einen positiven Beitrag zum Klimaschutz leistet, ohne gleichzeitig in anderen Bereichen der Umwelt zu schaden. Der Verbraucher, der sich für ökologische Investments interessiert, soll in der EU davon ausgehen können, dass dieses Kriterium für alle Anlagen gilt, die mit einem entsprechenden neuen Label gekennzeichnet werden. Es wird in den kommenden Wochen entwickelt.

Taxonomie heißt dieser Kriterienkatalog in der Finanzwirtschaft. Auf dessen Grundzüge verständigten sich bereits in der vergangenen Woche die Mitgliedstaaten, nun hat auch das Europäische Parlament zugestimmt. Doch es ist ein wachsweicher Kompromiss, weil Staaten wie Frankreich oder Tschechien, die weiter auf die Kernenergie setzen, bei ihrer Ablehnung geblieben wären.

Der Trick besteht darin, dass es künftig nicht mehr reicht, ein Vorhaben nur in Bezug auf seine Auswirkungen auf das Klima zu bewerten – dann könnte Atomstrom als CO2-neutrale Kraftquelle durchaus als grün gelten. Neuerdings dürfen die wirtschaftlichen Aktivitäten aber nicht zu Schäden in anderen Bereichen führen, was bei der Kernenergie mit Blick auf ihre Gesamtbelastung für die Umwelt eindeutig der Fall ist. Diese technischen Kriterien müssen zwar noch im Detail ausgearbeitet werden. Es sei aber absehbar, hieß es am Dienstag aus Kreisen der Verhandlungsdelegationen, dass weder Kohle noch Atom die hohen Umweltstandards erreichen. Investitionen in solche Projekte dürfen deshalb nicht als grüne Finanzprodukte angeboten werden.

Die Auswirkungen dürften immens sein. Denn sie betreffen auch die Staatsanleihen einiger Länder. So gibt Polen solche Papiere aus, obwohl das Land den Großteil seiner Energie noch aus Kohle bezieht und wegen der Abholzung des geschützten Bialowieza-Urwaldes vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde. Auch das Nachbarland Frankreich hat grüne Staatsanleihen im Programm, obwohl es zu mehr als 70 Prozent von der Kernenergie abhängig ist.

Deshalb gehen Experten davon aus, dass die Klärung der EU für ihren Markt, die auch Anlagen aus Nicht-EU-Staaten betreffen, in der Folge zu einer Welle von Neubewertungen sogenannter Green Bonds führen dürfte.

„Die Öffentlichkeit erwartet zunehmend, dass Unternehmen ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Verantwortung (vor allem im Bezug auf die Klimaschutzziele) gerecht werden“, heißt es in einem Papier der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG. Anleger würden sich daran immer öfter orientieren. Auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagte, wegen eines Anteils der grünen Papiere am gesamten internationalen Markt von zwei Prozent gebe es „noch ein beträchtliches Potenzial für Green Finance“. Die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die neue Chefin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, hatten zuvor bereits nachhaltige Finanzprodukte als zentralen Bestandteil ihrer jeweiligen Zukunftsstrategien bezeichnet. Denn in Brüssel wie auch in Frankfurt hofft man nun, dadurch jährlich dreistellige Milliardensummen für nachhaltige Wirtschaftsprojekte und Unternehmen von Anlegern einsammeln zu können. Ob das so eintreten wird, muss man aus heutiger Sicht jedoch erst einmal abwarten.

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