Börsenfusion auf der Kippe

Frankfurt/London · Das Nein der Briten zur EU torpediert die Fusionspläne der Börsen in Frankfurt und London. Das Management kämpft für den Zusammenschluss. Doch droht das Projekt an der Frage des Hauptsitzes zu scheitern.

 Die geplante Hochzeit der Londoner Stock Exchange (links) und der Deutschen Börse droht zu platzen, wenn die britische Regierung nicht einlenkt und weiter auf London als Hauptsitz des fusionierten Unternehmens besteht. Fotos: Rain/Rumpenhorst/dpa

Die geplante Hochzeit der Londoner Stock Exchange (links) und der Deutschen Börse droht zu platzen, wenn die britische Regierung nicht einlenkt und weiter auf London als Hauptsitz des fusionierten Unternehmens besteht. Fotos: Rain/Rumpenhorst/dpa

"Gottgewollt" und genau das Richtige für die Weltwirtschaft. Mit viel Pathos wirbt Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter für die Fusion des Dax-Konzerns mit der London Stock Exchange (LSE). Doch das Nein der Briten zur EU könnte den Frankfurtern einen Strich durch die Rechnung machen. Der Chor der Kritiker wird nach dem Brexit-Votum lauter. Als eine der niedrigsten Hürden galt die gestrige Abstimmung der LSE-Aktionäre bei einer außerordentlichen Hauptversammlung. In der Tat stimmten die LSE-Anteilseigner fast einstimmig für die Fusion. Doch darüber hinaus sind die Widerstände groß.

"Es ist schwer vorstellbar, dass der wichtigste Börsenplatz im Euroraum von einem Standort außerhalb der EU gesteuert wird", sagte der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld. "Da wird man sicher nachjustieren müssen." Hufelds Wort hat Gewicht, auch wenn die Bafin in dem Fall kein Vetorecht hat. "Ein Hauptsitz außerhalb der Eurozone war schon bisher schwer zu begründen, außerhalb der EU halte ich eine gemeinsame europäische Börse für nicht vermittelbar", sagt Sparkassen-Verbandschef Georg Fahrenschon . Der Betriebsrat der Deutschen Börse opponiert ebenfalls. "Der Hauptsitz muss nach Frankfurt", fordert die Vorsitzende des Gremiums, Jutta Stuhlfauth. Angesichts des Brexit wäre es "widersinnig, wenn der Hauptsitz nach London verlegt würde".

Skeptisch zeigt sich auch die hessische Börsenaufsicht, die letztlich das Zünglein an der Waage spielen könnte. Denn sie muss über den ordnungsgemäßen Betrieb der Frankfurter Wertpapierbörse wachen. Schon früh nach dem Bekanntwerden der Fusionspläne hatte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU ) Vorbehalte geäußert.

Offiziell rütteln die Konzerne bisher nicht an ihren Vereinbarungen. Doch auch bei der Deutschen Börse wächst die Einsicht, dass es im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens politisch kaum durchsetzbar sein dürfte, London zum Kern der europäischen Superbörse zu machen. Jetzt müsse sich die Politik in London bewegen und ihre Forderung zum Hauptsitz aufgeben. Andernfalls sei der Deal tot.

Eine Abkehr von den bisherigen Plänen muss allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass Frankfurt automatisch das Rennen macht. Vorstellbar sei auch ein Sitz in einer anderen europäischen Stadt, heißt es in Börsenkreisen. Als Kompromiss könnte etwa Amsterdam ins Spiel kommen.

Kengeter und seinem LSE-Pendant Xavier Rolet läuft die Zeit davon. Den Fusionsprozess neu aufzusetzen, wäre ein Kraftakt. Und was wird dann aus der laufenden Abstimmung der Aktionäre? Die Eigner der Deutschen Börse sind aufgerufen, bis 12. Juli ihre Aktien in Papiere des neuen Unternehmens zu tauschen. Nicht mehr gerüttelt werden kann aus rechtlicher Sicht an der künftigen Machtstruktur. Die Deutsche Börse soll gut 54 Prozent halten. Den Hauptsitz könne man auch nach dem Zusammenschluss noch verlegen, hieß es in Verhandlungskreisen. Die Behörden könnten die Fusion etwa unter der Bedingung genehmigen, dass der Sitz in der EU ist.Mit einer Steuersenkung will Großbritannien nach dem Brexit-Votum Unternehmen zum Bleiben bewegen. Finanzminister George Osborne wolle die Körperschaftsteuer auf unter 15 Prozent senken, erklärte das Ministerium. Dieser Satz wäre im Vergleich der großen Volkswirtschaften der Erde der niedrigste. Osborne hat seit 2010 mehrfach die Steuern für Unternehmen gekürzt. Damals belief sich die Körperschaftsteuer auf 28 Prozent, inzwischen sind es nur noch 20 Prozent. Bis 2020 sollte sie bisher auf 17 Prozent sinken. Mit einer neuen Zielmarke von unter 15 Prozent würde sich Großbritannien Irland annähern. Dort liegt die Körperschaftsteuer bei 12,5 Prozent. Die britische Wirtschaft müsse sich mit einer Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf das Ausscheiden aus der EU vorbereiten, sagte Osborne der "Financial Times". Mit den Plänen reagiert er auf Befürchtungen, Firmen könnten nach dem Brexit-Votum das Land verlassen. Mehrere große britische Unternehmen haben seit der Brexit-Entscheidung bereits vor schrumpfenden Gewinnen gewarnt.

Meinung:

Schäbiger Egoismus

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Der britische Finanzminister setzt nach dem Brexit-Votum ein provozierendes Signal. Er schert sich keinen Deut mehr um das internationale Bemühen gegen Steuer-Dumping. Großbritannien soll offenbar ein Steuerparadies werden, in dem sich Konzerne um ihre gesellschaftliche Verantwortung drücken können. Die anderen Industriestaaten sollten nun klar machen, dass keiner Chancen auf Freihandelsabkommen hat, wer so egostisch agiert.

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