Bloß kein kleiner Fürst sein wollen

Saarbrücken · Im Juli 2015 hat FDP-Mann Erik Schrader als Saarbrücker Kultur- und Schuldezernent abdanken müssen – Begegnung mit einem Mann, der im Reinen mit sich ist und lieber im Hintergrund blieb. Jetzt, nach acht Monaten als Privatier, zieht es ihn allmählich wieder ins Arbeitsleben zurück.

 „Es wäre kein Nachteil für mich, würde das Betätigungsfeld künftig kleiner“, sagt Schrader. Foto: cis

„Es wäre kein Nachteil für mich, würde das Betätigungsfeld künftig kleiner“, sagt Schrader. Foto: cis

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Liest man nochmal nach, wie Saarbrückens früherer Kulturdezernent Erik Schrader 2007 kurz vor seiner Wahl seine künftige Amtsführung umriss, muss man rückblickend sagen: Der Mann hat recht behalten. "Ich möchte mit vielen ins Gespräch kommen, weil es wichtig ist, dass Ideen viele Väter und Mütter haben. So dass sie nicht nur die von Erik Schrader sind", hatte er damals angekündigt. Es spiegelt ziemlich genau, was Schrader acht Jahre lang praktizierte: Das Gegenteil eines Selbstdarstellers, taktierte er lieber hinter den Kulissen, um möglichst parteiübergreifende Koalitionen zu schmieden, die Saarbrückens Kultur zugute kamen.

In seiner Amtszeit genoss sie nicht nur Bestandsschutz, er holte auch manches für sie heraus. Zwei Beispiele: Mit dem Feuerdrachen leierte er in langen Verhandlungen eine feste Spielstätte für die Freie Szene an. Dazu nahm er die zuvor in der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz gefangene Stadtgalerie wieder unter städtische Fittiche, was (zumal unter Andrea Jahns künstlerischer Leitung) profilschärfend wirkte.

Schraders Dezernententage waren Mitte 2015 dennoch gezählt. Nachdem sich die städtische Machtbalance verschoben hatte und Ende 2009 eine rot-rot-grüne Koalition ans Ruder kam, zeichnete sich früh ab, dass es mit einer zweiten Amtszeit wohl nichts werden würde. Dennoch kaufte Schrader (44) Ende 2014, ein halbes Jahr vor seinem politischen Ende, mit seiner Frau (Berlinerin wie er und Lehrerin) in Dudweiler ein Haus. "Weil's hier schön ist", sagt er. Er schätzt die "Kompaktheit" der Stadt, das "großstädtische Kulturangebot", die Nähe zu Frankreich und die Direktheit der Leute, von der er sich - was man ihm gar nicht zutraut - als bekennender Karnevalist in zahllosen Prunksitzungen ein deftiges Bild machen konnte. "Das Aus-der-Rolle-Fallen" gefalle ihm am Karneval, sagt er. So sehr, dass er seine dreijährige Tochter demnächst bei der Minigarde anmelden will. In Vereinen werde man "geerdet", findet der Vater.

Seit August 2015 ist Schrader nun Privatier. Wie geht es ihm damit? "Gut", behauptet er. Noch - trifft es vielleicht besser. Das Verwalten fehlt ihm allmählich doch. Das "Vornehmen vernünftiger Problemanalysen" und das "Gießen der Zielplanungen in Verwaltungsvorlagen", wie er das nennt. Wobei man ihm abnimmt, dass es nicht Macht ist, die er vermisst. Dass Schrader - obschon er seit seiner Jugend der FDP angehört und über deren Parteiticket auch seinen Dezernentenposten bekam - auffallend überparteilich und "loyal gegenüber Dienstherr und Parlament" agierte, erklärt sich aus seiner Grundhaltung, derzufolge "Parteipolitik in Verwaltungsangelegenheiten nichts zu suchen hat". Wäre dies Konsens in Deutschlands parteiverfilzten Kommunen, sähe dort manches anders aus.

Selbst wenn die FDP an der Saar 2017 wieder politisch reanimiert werden sollte: Schrader spekuliert nicht auf einen Parteiposten ("wo Sie im täglichen Geschäft eigentlich ja nichts umsetzen"), er sieht seine Zukunft "weiter in einer verwaltenden Tätigkeit". Ins zweite oder dritte Glied (ob als ministerieller Referatleiter, kommunaler Amtsleiter oder Kopf eines Bildungsträgers) zurückzutreten, sei kein Problem für ihn, solange er "gestalten und organisieren" könne.

"Ich nehme mich nicht zu wichtig" - der Satz fällt zweimal. Der Mann scheint im Reinen mit sich. Als Dezernent blieb er nach außen hin vergleichsweise blass: kein großer Redner, kein Mann mit Charisma. Aber beharrlich, verlässlich. Einer, der im Hintergrund zu wirken wusste. Beim Resümieren seiner Dezernentenjahre ergibt sich eine interessante Parallele. Gefragt, ob es - ungeachtet beider völlig konträrer Amtsführung - nicht gewisse Gemeinsamkeiten zwischen ihm und der von der SPD geschassten Ex-Baudezernentin Rena Wandel-Hoefer gebe, antwortet Schrader: "Ja, wir können beide in den Spiegel gucken und sagen, dass wir das all die Jahre so gemacht haben, wie wir das jeweils wollten." Ob das sein grüner Nachfolger Thomas Brück auch von sich sagen kann?

Er genießt es, mit seinen beiden Kindern zu spielen und Bücher zu lesen, "die man vor zehn Jahren gekauft und nie angerührt hat". Dann aber, erzählt er, kämen wieder Tage, in denen man sich "wie ein Tiger im Käfig" fühle, den ganzen beruflichen Stress vermisse. Den Verwaltungsjongliersport. Schrader spricht mit seinem allerunschuldigsten Lächeln vom "Anwenden von Verwaltungstricks, die keinem auffallen". Macht, er kommt dann doch noch mal drauf zurück, fehle ihm allenfalls insoweit, "dass man Ideen umsetzen kann". Er ist einer, der lieber man als ich sagt. Es passt auf sympathische Weise so viel besser zu seinem bedächtigen Naturell. "Ohne Kinder wäre man vielleicht ein Karrierepaar und würde man manches anders sehen", sinniert er nach ein paar Stunden im Café am St. Johanner Markt. Was bei ihm, dem überzeugten Vater, sagen will: lieber Kinder als große Karriere. "Man ist, auch in der Politik, kein kleiner Fürst."

Am Ende hat Schrader noch eine Lebensweisheit in der Hinterhand. Nach seinem Politikstudium sei er quasi über Nacht in Berlin zum Manager zweier Einkaufsmärkte avanciert, wo er schon als Student nebenbei als PR-Mann angeheuert hatte. Er machte den Job fünf Jahre. Als die FDP dann 2001 nach der für die Partei äußerst erfolgreichen Senatswahl zwei Stadträte stellte, wollte man in Steglitz einen Parteimann mit ökonomischem Stallgeruch. Schrader bekam den Posten - den er ohne diesen Umweg nicht bekommen hätte. Und die Moral aus der Geschichte? "Wenn man sich Dinge zu sehr wünscht, bekommt man sie nicht."

Zwei Jahre will er sich noch Zeit geben, sich umschauen, Netzwerke pflegen. "Wenn sich dann noch nichts ergeben hat, würde man sich die Frage stellen, was das bedeutet." Was es bedeutete, das Saarland zu verlassen, weiß Schrader hingegen schon heute: "Unbehagen."

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