BGH kippt Mindestgebühr für Kontoüberziehung

Karlsruhe · Wer sein Konto über den gewährten Rahmen hinaus überzieht, muss darauf hoffen, dass die Bank beide Augen zudrückt. Trotzdem darf dieses Entgegenkommen nicht unverhältnismäßig viel kosten.

Banken dürfen Kontoinhabern für eine geduldete Überziehung keine Mindestpauschale berechnen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach Klagen von Verbraucherschützern entschieden. Die Karlsruher Richter sehen die Kunden durch derartige Klauseln unangemessen benachteiligt. Banken würden so unabhängig von der Höhe und Laufzeit des Kredits ihren Aufwand auf die Kunden abwälzen, heißt es in dem Urteil. Geduldete Überziehung bedeutet, dass der Kontoinhaber nicht nur ins Minus rutscht, sondern auch noch seinen Dispokredit überschreitet. Das ist in aller Regel teuer.

Kassiert die Bank nicht einfach Zinsen, sondern grundsätzlich eine Mindestgebühr, kann sich das für den Kunden aber besonders ungünstig auswirken. Im Extremfall passiert es, dass er wegen einer Überziehung um wenige Cent an nur einem einzigen Tag mehrere Euro Gebühr bezahlen muss. Im konkreten Fall hatten die Verbraucherzentralen die Deutsche Bank und die Targobank verklagt, weil diese für die Überziehung mindestens 6,90 beziehungsweise 2,95 Euro verlangten.

Diese Pauschalen kippte der BGH nun. Die Richter rechnen vor, dass eine eintägige Kontoüberziehung um zehn Euro den Verbraucher damit so teuer komme, dass es bei der Deutschen Bank einem Jahreszinssatz von 25 185 und bei der Targobank von 10 767,5 Prozent entspreche. Das sei unverhältnismäßig. Sie verpflichten die Banken , ihre Kosten künftig komplett in die Zinsen einzupreisen.

Ein Sprecher der Targobank erklärte, sein Haus werde ab sofort auf die Erhebung des Entgelts verzichten. "Berechtigten Ansprüchen unserer Kunden bezüglich bereits gezahlter Entgelte werden wir selbstverständlich umgehend nachkommen", teilte er weiter mit. Auch die Deutsche Bank erklärte, man werde die Vorgaben "umsetzen und zukünftig den Mindestpreis für geduldete Überziehungen nicht weiter vereinnahmen".

In der Verhandlung hatten die Anwälte der beiden Banken noch von "Peanuts" gesprochen. Nach ihrer Darstellung entsteht der Bank durch einen kurzfristig gewährten Kleinstkredit ein hoher Aufwand. So müssten Sachbearbeiter in jedem Einzelfall die Bonität des Kunden prüfen. Über Zinsen lasse sich das nicht finanzieren. Selbst bei einem hohen Satz von 16,5 Prozent zahle ein Kunde, der sein Konto eine Woche lang um 1000 Euro überziehe, nur 3,16 Euro (Az. XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15).

"Von dem Urteil profitieren nicht nur die Kunden der beiden Banken ", sagte dagegen die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Eine entsprechende Vertragsklausel ist immer dann unwirksam, wenn sie unverhältnismäßig hohe Zinsen oder Entgelte enthält und Bankkunden mit drastischen Beträgen zur Kasse gebeten werden." Betroffene Bankkunden könnten nun bereits gezahlte Mindestentgelte zurückverlangen. Die Verbraucherzentrale stellt auf ihrer Internetseite dafür einen Musterbrief zur Verfügung.

Meinung:

Richter beendet Abzocke

Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdorf

Banken haben es in Zeiten von Nullzinsen schwer, Geld zu verdienen. Der Trend geht daher zu höheren Gebühren. Doch das gibt den Instituten nicht das Recht, nach Belieben Entgelte zu erheben. Auch wenn es für die einzelnen Betroffenen nur um wenige Euro geht, ist das, was die Deutsche Bank und die Targobank betrieben haben, schlicht und einfach Abzocke . Die Bundesrichter geben der Branche damit ein wichtiges Signal: Bankgebühren müssen in ihrer Höhe nachvollziehbar begründet sein. Alle Institute werden hoffentlich künftig daran denken, wenn sie wieder einmal an der Gebührenschraube drehen.

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