Streit eskaliert Bei ZF starten erste 24-Stunden-Streiks

Neunkirchen/Saarbrücken/Frankfurt · Die IG Metall legt erstmals viele Betriebe für einen ganzen Tag lahm. Die Arbeitgeber ziehen vor Gericht.

 Streikende Metaller sperrten alle vier Eingänge und Zufahrten zum ZF Werk im Neunkircher Stadtteil Wellesweiler.

Streikende Metaller sperrten alle vier Eingänge und Zufahrten zum ZF Werk im Neunkircher Stadtteil Wellesweiler.

Foto: Jörg Jacobi

Um vier Uhr heute Morgen ging es los. 70 IG-Metaller waren auf den Beinen, um den ersten Ganz-Tages-Streik bei ZF in Neunkirchen-Wellesweiler anzukurbeln. Ein großes Zelt war aufgebaut. Es diente als zentraler Sammelpunkt.  Ab 4.30 Uhr bezogen die ersten Streikposten Stellung an den fünf Toren des Werkes, offiziell startete der Streik um 5.45 Uhr mit dem Beginn der Frühschicht. Die angekündigte Demonstration wurde allerdings wegen Regens abgesagt. Über den Tag arbeiten sonst laut Gewerkschaft 1200 Frauen und Männer in drei Schichten im Neunkircher Werk des Autozulieferers.  „Dieses war der erste Streich“, sagte Jörg Caspar, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Neunkirchen. Sollten sich die Arbeitgeber nicht bewegen, „machen wir weiter“, kündigte er an. Die Vorbereitungen für eine Fortsetzung laufen bereits.

Auch ZF in Saarbrücken wurde ab der Frühschicht bestreikt. ZF ist damit das erste Unternehmen im Saarland, das von der neuen Form des 24-Stunden-Streiks betroffen ist. „Bis auf eine Notbesetzung von 80 Leuten ist niemand im Werk“, sagte Hans Peter Kurtz, Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Saarbrücken. Nach seinen Angaben sind rund 9000 Menschen bei ZF in Saarbrücken tätig. Das Unternehmen spricht von nur 8400 Beschäftigten im Saarland insgesamt, wie eine Sprecherin sagte. Normalerweise werden rund 10 000 Getriebe pro Tag gebaut, heute wird wohl kein einziges vom Band laufen.

Im Tarifkonflikt der Metall- und Elektroindustrie haben Metallarbeiter nicht  nur im Saarland, sondern in mehreren Bundesländern mit ganztägigen Warnstreiks begonnen. Unter anderem legten Beschäftigte in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einzelne Betriebe lahm, wie Sprecher der IG Metall in den jeweiligen Bezirken sagten. Die IG Metall sprach davon, dass in dieser Woche sich zusammen bis zu 500 000 Beschäftigte aus 275 Betrieben an den Streiks beteiligen würden.

Die Arbeitgeber aus mehreren Regionen gehen nun rechtlich gegen die Streiks vor. Auch der  Verband der Metall- und Elektroindustrie des Saarlandes (ME Saar) ist mit dabei und hat Klage beim Arbeitsgericht Saarbrücken eingereicht. Der Dachverband Gesamtmetall geht nach Angaben eines Sprechers davon aus, dass sämtliche 13 Tarifverbände vor Gericht ziehen werden. Die Arbeitgeber halten die Forderung der Gewerkschaft nach einem Teillohnausgleich für bestimmte Berufsgruppen bei einer Arbeitszeitverkürzung für rechtswidrig, weil damit andere Teilzeitbeschäftigte diskriminiert würden. „Nach geltender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes sind Streiks, die auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sind, selber rechtswidrig. Die IG Metall fügt den Unternehmen durch die Streikaktion erheblichen Schaden zu, dafür muss sie aufkommen“, sagte Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer von ME Saar. Einstweilige Verfügungen gegen die Tagesstreiks wurden zunächst von den Arbeitgebern nicht beantragt.

Hans Peter Kurtz kann die Aufregung der Arbeitgeber nicht verstehen. „Das ist lächerlich, weil die Arbeitgeber darüber mit uns schon verhandelt haben“, sagte er. Und wie können die Arbeitgeber über etwas verhandeln, was sie für rechtswidrig halten? Wenn die Gegenseite nicht einlenke, drohten flächendeckende Streiks, kündigte Kurtz an. Wahrscheinlich würden dann nach Fastnacht die Urabstimmungen anlaufen.  „Juristisch ist diese Tarifrunde ganz sicher nicht zu lösen“, sagte Jörg Köhlinger, Bezirksleiter und Verhandlungsführer des IG-Metall-Bezirks Mitte, zu dem auch das Saarland gehört. „Mit ihrer Klage gießen die Arbeitgeber nun weiteres Öl ins Feuer.“ Er kündigte weitere Tagesstreiks an, für morgen in 18 Betrieben des Bezirks. Auch Betriebe im Saarland sind dabei: Schaeffler in Homburg und im Raum Saarlouis Ford sowie diverse Zulieferer des Autobauers.

Am vergangenen Wochenende waren Verhandlungen in der fünften Runde mit den Arbeitgebern in Stuttgart abgebrochen worden. Beide Seiten machten sich gegenseitig dafür verantwortlich. Die Gewerkschaft verlangt sechs Prozent mehr Geld und Möglichkeiten zur Reduzierung der Arbeitszeit auf 28 Wochenstunden. Bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder sollen nach ihrer Vorstellung einen Teilausgleich für entgangenen Lohn erhalten, was die Arbeitgeber strikt ablehnen. Sie verlangen zudem, das verfügbare Arbeitsvolumen zu erhalten.

Im Mittelstand lösen die Forderungen der IG Metall große Sorgen aus. „Die ausufernden Forderungen der IG Metall sorgen dafür, dass noch mehr Betriebe der Tarifbindung den Rücken kehren“, sagte Wolfgang Herges, vom Landesvorstand des Verbands „Die Familienunternehmer“. Denn für viele Unternehmen seien bereits jetzt die Verpflichtungen aus Tarifverträgen weder finanzierbar noch organisatorisch zu stemmen.

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