Aufstand der VW-Aktionäre

Hannover · Der streitbare Aktionär Manfred Klein aus Saarbrücken präsentiert bei der VW-Hauptversammlung eine Generalabrechnung mit Vorstand und Aufsichtsrat. Bis ihm am Ende der Ton abgedreht wird.

Kriminelle Energie, Vollkasko-Mentalität, Täter statt Opfer - die Wortwahl der ersten Redner auf der VW-Hauptversammlung zeigt klar: Die Stimmung unter den Aktionären ist vergiftet.

Kurz zuvor war Volkswagen-Chef Matthias Müller in einer Rede beinahe etwas emotional geworden. Er wolle die Anteilseigner vor allem um eines bitten: "Dass sie dem Volkswagen-Konzern, dass Sie Ihrem und unserem Unternehmen die Treue halten", sagt der Vorstandschef. "Sie werden es nicht bereuen." Auf die übliche Bitte um Vertrauen verzichte er. "Vertrauen muss man sich verdienen. Daran arbeiten wir."

Bei dem ersten darauffolgenden Redner, Manfred Klein aus Saarbrücken, stößt Müller jedoch auf taube Ohren: "Hier wurde ohne rot zu werden gelogen und betrogen", brüllt der ins Mikrofon. "Mit geradezu krimineller Energie" hätten die VW-Verantwortlichen bei der Manipulation der Motorsteuerungssoftware ihrer Diesel "auf Kosten von Umwelt und Gesetzestreue" agiert, sagt der ältere Mann mit dem grauen Schnurrbart und dem grauen Haar. Und das alles für "ein paar lausige Cent". Besonders hart geht er mit Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ins Gericht, der als Vorsitzender des Kontrollgremiums auch so etwas wie der Chefaufklärer ist, obwohl er selbst zuvor bereits lange Jahre als Finanzvorstand zum innersten Führungszirkel gehörte. Pötsch sei "ein hauptverantwortlicher Täter, Wegseher", völlig ungeeignet zur Aufklärung der Vorgänge und zum Neuanfang, schäumt Klein. Nach wenigen Minuten wird ihm der Ton abgedreht - er habe zu lange geredet. Auf den Monitoren in der Messehalle können die Besucher nur noch seine hektischen Gesten sehen.

Klein ist aber mit seiner Meinung nicht alleine. Rund 3000 Volkswagen-Aktionäre haben sich in Hannover versammelt. Die Lage ist ernst. VW ist mit Strafandrohungen , immensen Schadenersatzforderungen von Kunden sowie Aktionären, hohen Kosten für Rückrufaktionen und staatsanwaltlichen Ermittlungen konfrontiert. Dazu kommt noch der verheerende Imageverlust. Im vorigen Jahr fuhr VW wegen Rückstellungen zur Deckung der Kosten des Skandals einen Rekordverlust von 1,6 Milliarden Euro ein. Der Aktienkurs brach dramatisch ein, auch die Dividende soll drastisch gekürzt werden. Pötsch und Müller tun alles, um die zutiefst erschütterten Aktionäre zu beruhigen. Sie bitten um Entschuldigung, betonen den Willen zu Aufklärung und unternehmerischem Neuanfang. "Ich möchte mich bei Ihnen dafür entschuldigen, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben", sagt Pötsch. Wirklich unter Druck sind sie nicht, die Machtverhältnisse sind zu klar. 89 Prozent der Stimmrechte halten die VW-Gründerfamilien Porsche und Piëch, das Land Niedersachsen und das Emirat Katar.

Nicht alle Aktionäre fallen über die Verantwortlichen her. Es gibt auch ruhigere Stimmen. Eine Frau aus Wolfsburg erinnert an die Existenzängste der VW-Beschäftigten, appelliert an alle, um ihretwillen, den Blick auf die Zukunft der Firma zu richten.

Immer wieder aber spricht aus den Worten der Aktionäre beißende Kritik an den Führungs- und Kontrollmechanismen bei VW . Dass die Vorstände trotzdem Boni kassieren, stößt auf allgemeines Unverständnis.

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