Auf dem schwierigen normalen Weg

Saarlouis · Max Enderlein wollte nicht in einer Werkstatt für Behinderte arbeiten. Er bewarb sich für eine reguläre Berufsausbildung bei der Arbeitsagentur – und wurde eingestellt. Zunehmend sind Arbeitgeber für die Inklusion von Behinderten aufgeschlossen.

 Max Enderlein fährt mit seinem Rollstuhl durch die Gänge der Arbeitsagentur. Foto: Oliver Dietze

Max Enderlein fährt mit seinem Rollstuhl durch die Gänge der Arbeitsagentur. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Die Hände kann er bewegen und den Kopf. Der restliche Körper liegt still, regungslos. Max Enderlein leidet an Muskeldystrophie Duchenne - Muskelschwund. Das hat ihn freilich nicht davon abgehalten, den Realschulabschluss zu machen und eine ordentliche Berufsausbildung zu beginnen.

Er hätte natürlich auch den leichteren Weg wählen und in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten können. "Auf keinen Fall", sagt Enderlein. Das wollte er nicht, er wollte den Weg eines normalen Arbeitnehmers gehen. "Das war nicht so leicht, aber ich bin ehrgeizig", sagt der 20-Jährige. Seinen Realschulabschluss hat der Schiffweiler in einer Schule für Menschen mit und ohne Körperbehinderung im baden-württembergischen Neckargemünd gemacht, lebte dort drei Jahre lang in einem Internat. Enderlein hätte auch noch Fachabitur machen können. "Genug Schule", dachte er sich aber, "irgendwann muss mal ein neuer Abschnitt kommen."

Er bewarb sich bei der Agentur für Arbeit Saarland und startete vergangenen September die Ausbildung zum Arbeitsmarkt-Fachangestellten. Er wechselt während der Ausbildung zwischen den Abteilungen und Standorten. Derzeit ist er in der Agentur Saarlouis stationiert. Hat Kontakt mit Kunden, bearbeitet Anträge.

Die Antragsbearbeitung funktioniert anders als bei Angestellten ohne Behinderung - Enderlein kann ja die Arme nicht heben, also kann er auch nicht auf einer Tastatur tippen, um Daten in den Computer einzugeben. Dafür hat er eine Sprachsteuerung. Statt zu schreiben, spricht er die Daten mit Hilfe einer speziellen Software ein. Auch alle anderen körperlichen Arbeiten kann er nicht erledigen, als Beschäftigter in der Bürokratie fallen darunter vor allem Dinge wie Dokumente abheften, Formulare und anderen Papierkram hin- und hertragen. Solche Handgriffe erledigt Enderleins persönliche Assistentin, die ihn auf der Arbeit ständig begleitet und dafür auch von der Arbeitsagentur bezahlt wird.

Hilfen wie die Sprachsteuerung oder die persönliche Assistenz werden von der Bundesagentur für Arbeit bezuschusst, wenn Betriebe Schwerbehinderte einstellen. Es gibt noch weitere Fördermöglichkeiten für Arbeitgeber , auch das Gehalt schwerbehinderter Lehrlinge kann bezuschusst werden. Trotzdem erfüllen die meisten Unternehmen die gesetzliche Fünf-Prozent-Quote nicht - auf 20 Beschäftigte muss mindestens ein Schwerbehinderter kommen. Lieber zahlen sie die fällige Ausgleichsabgabe.

"Das Ohr für das Thema hat sich bei den Betrieben aber geöffnet", sagt Oliver Rech, der als Reha-Spezialist bei der Saar-Arbeitsagentur Kontakt mit Arbeitgebern hat. Das könnte am Fachkräftemangel liegen, meint er, aber auch daran, dass das Thema Inklusion immer stärker in die Öffentlichkeit trete. Trotzdem sei unstrittig, dass es bei der Beschäftigung von Schwerbehinderten "noch Luft nach oben" gebe. Es gebe aber auch Fälle, sagt Rech, in denen Betriebe gerne jemanden mit Behinderung einstellen würden, aber keinen passenden Bewerber finden. Bei Enderlein dagegen hat alles gepasst.

Mehr SZ-Ausbildungsserie gibt's unter www.saarbruecker-zeitung.de/serie-ausbildung

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