Auch Kinder haben Pflicht zum Unterhalt

Saarbrücken/München · Eltern müssen nicht nur für ihre Kinder Unterhalt zahlen. Kinder müssen auch für die Eltern einstehen, wenn diese mittellos sind und zum Pflegefall werden. Darauf weist der Chef der Saarbrücker Versicherung UKV hin.

 Derzeit müssen in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen gepflegt werden. Foto: dpa

Derzeit müssen in Deutschland rund 2,5 Millionen Menschen gepflegt werden. Foto: dpa

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Bei der Vorsorge für einen möglichen Pflegefall in der Familie sollten die Kinder berücksichtigen, dass auch sie herangezogen werden können, wenn das Einkommen der Eltern nicht reicht. Darauf macht Harald Benzing, Vorstandsvorsitzender der Saarbrücker Kranken- und Pflegeversicherung UKV, aufmerksam. Dies gelte auch nach dem 1. Januar, wenn das neue Pflegegesetz in Kraft tritt. "Angehörige sollten damit rechnen, dass sie mit einer Eigenleistung von durchschnittlich 50 000 Euro pro Pflegefall rechnen müssen", sagt Benzing.

Zunächst würden das Einkommen und das Vermögen der Pflegebedürftigen herangezogen und komplett verwertet. Sind die Mittel der pflegebedürftigen Person aufgebraucht und reicht die Rente nicht aus, "haben die Kinder eine Unterhaltspflicht gegenüber ihren Eltern ". Dabei "springt zunächst das Sozialamt ein", erläutert er.

Die Behörde "wählt bei Umfang und Komfort der Pflegeleistung aber nur die Lösung aus, die für sie die günstigste ist". Das Sozialamt "tritt außerdem nur in Vorlage", betont Benzing. Es habe das Recht, Erkundungen über Einkommen und Vermögen der Kinder einzuholen - unter anderem beim Finanzamt und beim Arbeitgeber. Das Amt könne auch die Vermögensverhältnisse der Schwiegerkinder unter die Lupe nehmen. Allerdings müssen die Kinder schon ein relativ hohes Einkommen haben, bevor sie für pflegebedürftige Eltern Unterhalt zahlen müssen. Vom Nettogehalt werden beispielsweise die Kosten von Alters- und Krankheitsvorsorge, der Kapitaldienst für Hypothekenkredite oder die Fahrtkosten für den Besuch des Pflegebedürftigen abgezogen. Berücksichtigt werden zudem die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber eigenen Kindern sowie für Ehegatten und Lebenspartner.

Außerdem gestehen die Sozialämter den Unterhaltspflichtigen einen so genannten Selbstbehalt zu. Bei Singles beträgt dieser 1800 Euro pro Monat, bei Verheirateten 3240 Euro. Von jedem Euro, der diese Summe übersteigt, fordert das Sozialamt die Hälfte ein. Ein Beispiel: Bleiben einem Alleinstehenden nach Abzug seiner laufenden Kosten 2200 Euro übrig, liegt diese Summe 400 Euro über dem Selbstbehalt. Das Sozialamt erhält also 200 Euro. "Allerdings kann die Behörde auch auf das Vermögen der Kinder zurückgreifen, wobei deren eigene Altersversorgung bis zu einer gewissen Höchstgrenze jedoch tabu ist", sagt Benzing. "Auch Häuser, in denen die Kinder selbst wohnen, sind davon ausgenommen". Auf das restliche Vermögen habe das Sozialamt allerdings Zugriff - bis auf ein Schonvermögen von 10 000 Euro. Bei Freiberuflern gilt, dass sie 25 Prozent ihres Einkommens für die Altersvorsorge zur Seite legen können.

Es habe außerdem keinen Sinn, vor dem erwarteten Eintritt eines Pflegefalls Vermögen als Schenkung an die eigenen Kinder zu übertragen. "Solche Transaktionen erkennt die Sozialbehörde nicht an", sagt der UKV-Chef. Benzing verweist zudem darauf, dass der Elternunterhalt auch dann greift, wenn die Kinder schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen haben. "Die Verpflichtung dazu ist unabhängig von der familiären Bindung." Die statistische Wahrscheinlichkeit, im Alter zum Pflegefall zu werden, steigt von Jahr zu Jahr. Das liegt daran, dass die bundesdeutsche Bevölkerung weiter altert. Jeder Dritte über 80 ist schon heute ein Pflegefall. Derzeit müssen rund 2,5 Millionen Menschen betreut werden. Der jüngste Pflegereport der Krankenversicherung Barmer GEK geht davon aus, dass diese Zahl bis 2020 auf drei Millionen ansteigt. Mitte des Jahrhunderts sollen 4,56 Millionen Leute pflegebedürftig sein.

Von den 2,5 Millionen Menschen, die heute schon gepflegt werden, sind 61 Prozent Frauen und 39 Prozent Männer. 2,1 Millionen von ihnen beziehen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung . Diese kommt nach Angaben der Versicherung UKV jedoch nur für 50 Prozent der im Pflegefall anfallenden Kosten auf.

Allerdings gibt es immer wieder Abgrenzungs-Probleme beim Begriff der Pflege. Kurz vor ihrem Tod müssen die meisten Menschen umfassend betreut werden. Es sterben rund 19 Prozent der pflegebedürftigen Männer und zwölf Prozent der Frauen innerhalb der ersten drei Monate nach Pflegebeginn. Etwa 50 Prozent der Männer und 65 Prozent der Frauen werden mindestens zwei Jahre gepflegt. Wenn die Pflegebedürftigkeit nach dem 60. Lebensjahr eintritt, dauert sie bei Frauen 4,9 und bei Männern 3,6 Jahre. Die Pflegedauer ist umso länger, je jünger die Menschen mit großen Handicaps sind.

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Hintergrund Die UKV, der Krankenversicherer mit Sitz in Saarbrücken, gehört zur Versicherungskammer Bayern (VKB), einer der größten Assekuranz-Konzerne Deutschlands und Teil der Sparkassen-Finanzgruppe . Die UKV und ihre "Schwester", die Bayerische Beamtenkrankenkasse, haben 2016 ihre Beiträge um 1,5 Prozent auf 2,29 Milliarden Euro gesteigert. Besonders gut habe sich das Geschäft in der Zusatzvorsorge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entwickelt, heißt es in einer VKB-Mitteilung. Die UKV beschäftigt an der Saar etwa 530 Mitarbeiter. Zu ihr gehört noch die Union Reiseversicherung. low

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