„Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ liegt seit Wochen auf Eis Kurzarbeit soll Strukturwandel abfedern

Berlin · Arbeitsminister Heil (SPD) will den Zugang zur Kurzarbeit erleichtern. Darauf hofft die Autobranche. Doch der Entwurf liegt auf Eis.

 Eine Nachricht sorgte für Aufregung: Experten glauben, die Umstellung auf E-Autos könnte im Extremfall bis zu 410 000 Jobs kosten. Kann Kurzarbeit die Folgen für Autobauer, wie hier bei BMW, dämpfen?

Eine Nachricht sorgte für Aufregung: Experten glauben, die Umstellung auf E-Autos könnte im Extremfall bis zu 410 000 Jobs kosten. Kann Kurzarbeit die Folgen für Autobauer, wie hier bei BMW, dämpfen?

Foto: dpa/Jan Woitas

Arbeitgeber und Gewerkschaften sind sich grundsätzlich einig: Zur Abfederung des Strukturwandels in der Automobilindustrie muss die Kurzarbeit aufgewertet werden. Das wurde auch beim Auto-Gipfel am Mittwoch im Kanzleramt deutlich. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) werkelt schon länger an einem entsprechenden Gesetzentwurf.

Dieses Szenario hat viele aufgeschreckt: Nach der Prognose einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission könnten im Extremfall bis zu 410 000 Jobs wegfallen, falls die deutsche Vorzeige-Branche den Anschluss bei der Umstellung auf Elektroautos verpasst. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann machte sich deshalb gestern noch einmal für die Ausweitung der Kurzarbeit stark: Der Zugang müsse für die Branche kurzfristig erleichtert werden, um die auftrags-und strukturbedingte Unterauslastung ohne Entlassungen zu überbrücken, argumentierte der Gewerkschafter. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) drängte auf rasche Verbesserungen. „Wir hören von unseren Mitgliedsverbänden, dass den Unternehmen jetzt langsam die Luft ausgeht“, erklärte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.

Schon jetzt gewährt die Bundesagentur für Arbeit (BA) das sogenannte Kurzarbeitergeld, wenn Beschäftigte zum Beispiel aus witterungs- oder konjunkturbedingten Gründen weniger als sonst zu tun haben. Damit sollen sie im Unternehmen gehalten werden. Die Zahlung beträgt 60 Prozent des Nettolohns (mit Kindern 67 Prozent), der den Arbeitnehmern wegen der verkürzten Arbeitszeit entgangen ist. Und das bis zu zwölf Monate lang, in Ausnahmefällen auch bis zu 24 Monate. In der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 hat Deutschland damit gute Erfahrungen gemacht. Von den Regelungen konnten damals zeitweilig mehr als 1,5 Millionen Beschäftigte profitieren.

Von dieser Situation ist man zwar noch weit entfernt. Für den Januar kalkuliert die BA insgesamt mit rund 113 000 Kurzarbeitern. Ihre Zahl war zuletzt aber sprunghaft gestiegen. Im Juni 2019 waren es knapp 43 000. Davon entfielen 3655 auf die Autobranche. Im September gab es in diesem Sektor schon 6668 Betroffene.

Vor diesem Hintergrund plant der Arbeitsminister zahlreiche Neuregelungen. Unter dem verheißungsvollen Titel „Arbeit-von-Morgen-Gesetz“ soll Unternehmen dabei auch die Einführung von Kurzarbeit zusätzlich erleichtert werden. So will der Staat künftig auch die Sozialbeiträge übernehmen, wenn die Kurzarbeit mit einer Qualifizierung verbunden wird. Außerdem sollen die Maßnahmen bereits dann greifen, wenn es einzelnen Branchen schlecht geht. Derzeit ist das laut Heil erst bei Problemen auf dem gesamten Arbeitsmarkt rechtlich möglich. Der Gesetzentwurf liegt allerdings schon seit Wochen auf Eis, weil er der Union zum Teil viel zu weit geht. Nach Informationen unserer Redaktion will sich nun der Koalitionsausschuss auf seiner Sitzung am 29. Januar damit beschäftigen.

Nach Einschätzung des Arbeitsmarktexperten beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Karl Brenke, ergibt die Ausweitung der Kurzarbeit in Kombination mit Qualifizierung nur Sinn, „wenn die Menschen damit in absehbarer Zeit in den Job kommen“. Es bleibe jedoch unklar, was die Betroffenen künftig in ihrem Betrieb machen sollten, wenn sie eigentlich nicht mehr gebraucht würden, sagte Brenke unserer Redaktion. „Am Ende wird damit nur die Arbeitslosigkeit verschleiert.“ Auch Arbeitgeber-Lobbyist Steffen Kampeter zeigte sich hier skeptisch: Kurzarbeiter dürften nicht „ins Blaue hinein“ qualifiziert werden. Weiterbildung müsse immer auf einen bestimmten Bedarf ausgerichtet sein, mahnte er.

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