„Zuwanderung muss attraktiv sein“
Ein Einwanderungsgesetz ist auch im Interesse der deutschen Bevölkerung, sagt die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD). Warum, erklärt sie im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter.
Frau Özoguz, um ausländische Arbeitssuchende nach Deutschland zu locken, wurden die gesetzlichen Hürden in den letzten Jahren immer tiefer gelegt. Warum will die SPD trotzdem noch ein Einwanderungsgesetz?
Özoguz: Die geltenden Bestimmungen sind häufig schwer verständlich und kompliziert. Ein klares Einwanderungsgesetz würde auch Unsicherheiten in der deutschen Bevölkerung vermeiden. Es ist klar, wir brauchen und wollen Zuwanderung, müssen aber Sorgen um die Arbeit oder vor Lohndumping verhindern. Wir müssen Einwanderung insbesondere für hoch Qualifizierte attraktiver machen, indem man beispielsweise den Zuzug für ihre Familien erleichtert. Die Zuwanderung muss so transparent und attraktiv wie möglich sein - das ist der Sinn unserer Forderung.
Soll ein Einwanderungsgesetz auch Asylprobleme in Deutschland regeln?
Özoguz: Flüchtlinge sind Menschen in Not. Sie haben nichts mit der Arbeitsmarktlage zu tun. Wir müssen auseinander halten, dass Flüchtlinge nach Deutschland kommen, weil sie verfolgt werden, nicht wegen ihrer Qualifikation.
Und wenn ein Asylbewerber beispielsweise auch ein heiß begehrter Facharzt ist?
Özoguz: Wenn seine politische Verfolgung anerkannt wird, darf er sofort arbeiten, ansonsten nach drei Monaten. Aber es gibt natürlich auch gut qualifizierte Einwanderer, die keine Anerkennung als politisch Verfolgte bekommen. Nach geltendem Recht müssen sie Deutschland verlassen. Das ist nicht immer sinnvoll.
Und wie soll man das ändern?
Özoguz: Wenn die Qualifikation eines nicht anerkannten Asylbewerbers zu unseren Anforderungen passt, zum Beispiel in einem Mangelberuf, muss es möglich sein, dass er seinen Status wechselt und einen neuen Antrag stellen kann. Das sollten wir im Zuge eines neuen Gesetzes prüfen.
In Deutschland haben rund eine Million Menschen im arbeitsfähigen Alter keinen Berufsabschluss. Hat die SPD diese Leute abgeschrieben?
Özoguz: Natürlich nicht. Wir brauchen ein umfassendes Konzept, das natürlich als erstes die deutschen Arbeitskräfte im Blick hat. Eine vernünftig gesteuerte Einwanderung ist anders nicht denkbar. Auch hier könnte ein Einwanderungsgesetz helfen.
Inwiefern?
Özoguz: Indem es neben der Anwerbung ausländischer Fachkräfte auch festhält, welche Anstrengungen wir unternehmen, um die eigenen Leute für den Arbeitsmarkt fit zu machen. Beides darf nicht gegeneinander ausgespielt werden. Das gilt auch für Unternehmer, die sich lieber einen ausländischen Facharbeiter holen, als in die Ausbildung junger Leute in unserem Land zu investieren. Hier muss man gegensteuern.
Die große Mehrheit in der Union will von einem Einwanderungsgesetz nichts wissen. Steht die SPD damit nicht auf verlorenem Posten?
Özoguz: Wir arbeiten gut zusammen in der Großen Koalition. Aber manchmal muss man sich reiben und streiten. Die SPD wird hart daran arbeiten, die Union von der Notwendigkeit eines Einwanderungsgesetzes zu überzeugen.