Zurück in die "Bimbes"-Republik?

Berlin. Der Antrag der Grünen hatte es gestern in sich: "Umsatzsteuerermäßigung für Hotellerie zurücknehmen" wollte die Fraktion zusätzlich auf die Tagesordnung des Bundestages nehmen

Berlin. Der Antrag der Grünen hatte es gestern in sich: "Umsatzsteuerermäßigung für Hotellerie zurücknehmen" wollte die Fraktion zusätzlich auf die Tagesordnung des Bundestages nehmen. Mehrfach musste Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) daraufhin die Redner ermahnen, denn was folgte, war ein heftiger Schlagabtausch um den Anfang des Jahres in Kraft getretenen Steuerbonus für Hotels und eine millionenschwere Spende an die FDP. Der Antrag wurde schließlich von der Mehrheit des Parlamentes abgelehnt.

"Bimbes-Republik" Deutschland? Der Begriff stammt aus der Ära Helmut Kohls und ist seit der CDU-Spendenaffäre bekannt. Der Altkanzler quittierte große Summen gerne mit dem pfälzischen Kommentar "Schöner Bimbes". Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann (Foto: ddp), warnte deshalb gestern Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einem Rückfall in Kohlsche "Bimbes"-Zeiten und forderte sie auf, den "hemmungslosen Durchmarsch der Lobbyisten" zu verhindern. Hintergrund ist, dass Merkels Koalitionspartner FDP von Oktober 2008 bis Oktober 2009 insgesamt 1,1 Millionen Euro Spenden von der Düsseldorfer Substantia AG erhalten hat. Das Unternehmen gehört zum Imperium des Milliardärs August Baron von Finck, dessen Familie auch Haupteigner der Mövenpick-Gruppe ist, die in Deutschland 14 große Hotels betreibt.

Für SPD, Grüne und Linke steht damit die Entscheidung der Koalition, die Mehrwertsteuer für Hotel-Übernachtungen von 19 auf sieben Prozent zu reduzieren, in gänzlich neuem Licht. Die Liberalen hätten sich kaufen lassen, wetterte die Opposition. "Diese Spende mag legal sein, in Ordnung ist sie deshalb noch lange nicht", befand der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck.

Die Redner der Regierung konterten scharf: CDU-Mann Peter Altmaier listete mehrere Spenden von Firmen aus dem Bereich der regenerativen Energien an die Grünen auf. Der Antrag der Fraktion sei daher ein "durchsichtiges und unehrliches" Vorgehen und damit "problematisch für die demokratische Kultur". Ähnlich argumentierte auch FDP-Geschäftsführer Jörg van Essen (Foto: dpa): Genüsslich zitierte er SPD und Grüne aus Bayern, die gefordert hatten, die Mehrwertsteuer für Hotels zu reduzieren, um Investitionen zu ermöglichen. "Der Skandal ist das, was Sie heute hier präsentieren", rief van Essen der Opposition zu, nicht aber eine Parteispende, die ordnungsgemäß verbucht und gemeldet worden sei. Laut FDP ist die Substantia AG nicht an Hotelbetrieben beteiligt. Außerdem sei die Fraktion schon in ihrem Tourismuskonzept aus dem Jahr 2000 für die Ermäßigung eingetreten.

Das Thema Parteispenden ist nun aber wieder auf der politischen Agenda. Nach Kohls Spendenaffäre wurde 2002 das Parteiengesetz geändert, seitdem müssen Spenden über 50 000 Euro unverzüglich beim Bundestagspräsidenten gemeldet werden. Das hat die FDP getan, zuletzt Mitte Oktober, als sie letztmalig 300 000 Euro von der Substantia AG erhielt. Auch die CDU bekam nach der Bundestagswahl außergewöhnlich hohe Einzelspenden, wie beim Bundestag zu erfahren war: Insgesamt 450 000 Euro von der Industriellenfamilien Quandt (BMW).

In der Regel erhalten die beiden großen Parteien pro Jahr Spenden im zweistelligen Millionenbereich, die kleineren bewegen sich im einstelligen Millionenbereich.

Meinung

Jede Menge Heuchelei

Von SZ-Korrespondent

Hagen Strauß

Da war gestern im Bundestag jede Menge Heuchelei im Spiel. Die Wahrheit ist: Alle Parteien - mit Ausnahme der in der Wirtschaft ungeliebten Linken - sind von Großspenden aus der Industrie abhängig. Manche, insbesondere die Regierenden, mehr als andere. Von Institutionen, die handfeste Interessen verfolgen. Insofern haben solche Zuwendungen aus der Wirtschaft immer ein Geschmäckle. Und schaut man sich die Listen auf der Internetseite des Bundestages an, so geht das sogar bis zur Bereitstellung von Nobelkarossen, deren Wert dann als Spende angegeben werden muss. Die Parteien lassen sich aushalten. Das ist das eigentliche Problem.

2002, nach Helmut Kohls Spendenskandal, war der große Wurf möglich, die Parteien-Finanzierung auf neue Füße zu stellen. Nur konnte man sich damals nicht darauf einigen, den üppigen Geldfluss zu beschneiden. Dass die FDP sich also nun mit einem vermeintlichen Spendenskandal herumplagen muss, ist die Folge der vor acht Jahren verpassten Gelegenheit. Und klar ist: Die politisch Verantwortlichen sind zu unwillig, die Parteien auch zu sehr in finanziellen Nöten, um dieses Thema erneut auf die Agenda zu setzen.

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