Zäsur beim Zentralrat der Juden

Frankfurt. Nicht nur ein Generationswechsel, sondern eine Zäsur steht im Zentralrat der Juden bevor: Mit Präsidentin Charlotte Knobloch zieht sich am Sonntag die letzte Holocaust-Überlebende an der Spitze des Rats zurück. Nun übernehmen die Nachkommen der Opfergeneration die Verantwortung. Zu Knoblochs Nachfolger soll Zentralratsvize Dieter Graumann (Foto: epd)gewählt werden

Frankfurt. Nicht nur ein Generationswechsel, sondern eine Zäsur steht im Zentralrat der Juden bevor: Mit Präsidentin Charlotte Knobloch zieht sich am Sonntag die letzte Holocaust-Überlebende an der Spitze des Rats zurück. Nun übernehmen die Nachkommen der Opfergeneration die Verantwortung. Zu Knoblochs Nachfolger soll Zentralratsvize Dieter Graumann (Foto: epd)gewählt werden. Er übernimmt ein Amt, das von Präsidenten wie Heinz Galinski, Ignatz Bubis oder Paul Spiegel nachhaltig geprägt wurde. Graumann steht zugleich vor neuen Herausforderungen wie der Integration tausender jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Der Generationswechsel an der Spitze des Zentralsrats ist nach Ansicht der 78-jährigen Knobloch aber nicht so einschneidend wie oft angenommen wird: "Es ist viel weniger eine Zäsur, als es von außen aussieht", sagte sie. Auch die Generation, die jetzt den Zentralrat führen werde, "ist mit der Geschichte der Eltern aufgewachsen und von ihr geprägt". Der Einschnitt werde kommen, wenn die übernächste Generation die Führung in den Gemeinden übernehme.Knobloch selbst überlebte die Nazi-Zeit versteckt auf einem Bauernhof in Mittelfranken, wo sie als uneheliches Kind einer Dienstmagd ausgegeben wurde. Nach dem Krieg kehrte sie in ihre Geburtsstadt München zurück.

Manche Kritik in Deutschland an Israel bereitet Knobloch Sorgen: In der Bevölkerung verschwämmen "die Grenzen zwischen Israel-Kritik und Judenfeindlichkeit", warnt sie.

Ihr designierter Nachfolger Graumann dürfte bei diesem Thema keinesfalls zurückhaltender auftreten. Im Streit um den Auftritt des Publizisten Alfred Grosser bei einer Gedenkstunde in Frankfurt zur Reichspogromnacht am 9. November 1938 drohte er sogar damit, den Saal bei einer zu harschen Israel-Kritik Grossers zu verlassen. Der 1950 in Israel geborene und in Frankfurt aufgewachsene Graumann will auch "ein frisches, zeitgemäßes Bild" des Judentums vermitteln. Tatsächlich sind die jüdischen Gemeinden in den vergangenen Jahren durch den Zuzug aus Osteuropa nicht nur auf mehr als 100 000 Mitglieder gewachsen, sondern auch vielfältiger geworden. Die nach der Wende aus der ehemaligen Sowjetunion zugewanderten Juden machen inzwischen 90 Prozent der Gemeindemitglieder aus. afp

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