Wulff-Rücktritt ist für Merkel kein Thema

Kanzlerin Angela Merkel will die Debatte über einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff und mögliche Nachfolger beenden. Merkel sehe keinen Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Es gebe auch "keine wie immer geartete Absprache" der Koalitionspartner über mögliche Kandidaten im Falle eines Rücktritts

Kanzlerin Angela Merkel will die Debatte über einen Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff und mögliche Nachfolger beenden. Merkel sehe keinen Anlass, sich darüber Gedanken zu machen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Es gebe auch "keine wie immer geartete Absprache" der Koalitionspartner über mögliche Kandidaten im Falle eines Rücktritts.SPD und Grüne sprechen dennoch offen über potenzielle Nachfolger des wegen seiner Kredit- und Medienaffäre unter Druck stehenden Staatsoberhaupts - dessen Frau Bettina Wulff gestern überraschend beim Neujahrsempfang des zum Springer-Konzern gehörenden "Hamburger Abendblatts" auftauchte.

Der Streit um die Äußerungen Wulffs gegenüber "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann geht unterdessen weiter. Wulffs Anwalt Gernot Lehr widersprach gestern erneut der Darstellung der Zeitung, Wulff habe mit dem Anruf auf Diekmanns Mailbox die Berichterstattung über seinen Privatkredit verhindern wollen. Wulff habe den Artikel nur verschieben wollen. Dagegen sagte der stellvertretende "Bild"-Chef Nikolaus Blome am Sonntag in der ARD-Sendung "Günther Jauch": "Der Bundespräsident hat vielleicht das Verschieben als Etappe gesehen, das Verhindern ganz eindeutig als Ziel."

Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete die Debatte um den Bundespräsidenten als "bizarres Spektakel". Falls es zu einer Neuwahl des Bundespräsidenten komme, erwartet Roth, dass Merkel "auf die Opposition zugeht und dass man gemeinsam nach einer Persönlichkeit sucht".

Mehrere SPD-Politiker sprachen sich für eine erneute Kandidatur von Joachim Gauck aus, der 2010 in der Bundesversammlung gegen Wulff knapp unterlegen war. Gregor Gysi, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, sagte, Wulff habe seine Glaubwürdigkeit verspielt. Einen Rücktritt forderte Gysi aber nicht. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier fordert dagegen ein Ende der Debatte.

Medienwissenschaftler Norbert Bolz sieht in der Wulff-Affäre einen wachsenden Hang zur Skandalisierung. "Es wird sicher eher skandaliert. Es wird auch professioneller skandaliert", sagte der Berliner Professor gestern im Deutschlandfunk. Mit Blick auf den Bundespräsidenten sagte Bolz, er mache es Journalisten derzeit durch sein "tollpatschiges" Verhalten einfach, Jagd auf ihn zu machen. "Das ist vielleicht das größte Problem von Wulff. Er wollte Celebrity sein, ohne den Preis dafür zahlen zu wollen." Bolz begründete die zunehmende Skandalisierung mit Marktmechanismen. Journalisten folgten der Logik der Massenmedien. "Und dazu gehört die Fokussierung auf Sensation, auf Skandal." Alle kämpften um Einschaltquoten und Leser. "Das heißt, man muss sich auf dem Markt durchsetzen, und das kann man eigentlich nur, indem man die Schlagzeilen der anderen toppt". dpa/kna

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