Wohin steuert die Union?

Berlin. Von außen betrachtet herrschte in der CDU in den vergangenen Monaten Ruhe. Doch je länger die große Koalition dauert, desto mehr wurde unter den Christdemokraten die Frage gestellt, welchen Kurs die Partei in den nächsten Jahren einschlagen will

Berlin. Von außen betrachtet herrschte in der CDU in den vergangenen Monaten Ruhe. Doch je länger die große Koalition dauert, desto mehr wurde unter den Christdemokraten die Frage gestellt, welchen Kurs die Partei in den nächsten Jahren einschlagen will. Auf offener Bühne geschah dies freilich nicht - auch aus Rücksichtnahme auf die Kanzlerin und Parteivorsitzende Angela Merkel, mit der die Partei zufrieden ist. Nachdem Parteivize Jürgen Rüttgers nun aber seine Rentenvorschläge ausgebreitet hat, ist sie doch da - die Debatte, wohin die Union steuert. Dass Rüttgers wieder den Nerv der Partei getroffen hat, zeigte der Auftritt des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unions-Fraktion im Bundestag, Norbert Röttgen, gestern in Berlin. Nicht die Kritik Röttgens an seinem Landesvater überraschte. Die Nachdrücklichkeit im Ton des 42-Jährigen ließ aufhorchen. Mit Rückendeckung der Fraktionsspitze wurde Röttgen sehr grundsätzlich. Er warf Rüttgers vor, mit dem Vorschlag, langjährigen Geringverdienern eine höhere Rente als auf dem Niveau von Hartz IV zukommen zu lassen, die christliche Soziallehre und damit die Wurzel der CDU-Programmatik außer Acht zu lassen. Nach Lesart von Röttgen hat die Union immer erst nach der Verantwortung des Einzelnen gefragt und erst in zweiter Linie nach einer staatlichen Existenzsicherung. Röttgen sprach sich auch gegen einen Formelkompromiss aus. "Die CDU muss klar machen, was ihre Grundposition in der Sozialpolitik ist." Wie vor zwei Jahren bei der Auseinandersetzung über das Arbeitslosengeld I hat Rüttgers wieder eines geschafft: Er hat der Partei eine Debatte aufgedrückt, der sie nicht ausweichen kann. Und Rüttgers Leute legen sogar noch nach. Nachdem Merkel am Vortag versucht hatte, die Diskussion mit einem Nein im Keim zu ersticken, ließ gestern der nordrhein-westfälische Ministerpräsident einen alten Parteitags-Beschluss der CDU präsentieren. Tatsächlich hatte die Partei in Leipzig 2003 festgeschrieben: "Die Akzeptanz unseres Rentensystems ist auf Dauer gefährdet, wenn Versicherte trotz sehr langer Beitragszeiten lediglich Renten erhalten, die in der Höhe sehr nahe bei der Grundsicherung aus der Sozialhilfe oder gar darunter liegen. Ziel der CDU ist, dass langjährig Versicherte, die immer vollzeitig beschäftigt waren, eine Rente mindestens 15 Prozent oberhalb der jeweils gültigen Sozialhilfe erhalten, die bedarfsabhängig und steuerfinanziert ausgestaltet wird." Das ist schon im Kern das, worauf auch Jürgen Rüttgers abzielt. Sein Arbeitsminister Karl-Josef Laumann erinnerte zudem an einen Satz, den die Union in den vergangenen Jahren immer wieder in Positionspapiere geschrieben hat: "Leistung muss sich lohnen." Wer den Satz ernst nehme, so Laumann, müsse eben auch langjährige Beitragszahlung honorieren. Bei der Grundsicherung alle über einen Kamm zu scheren, sei ungerecht.

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