Wirtschaft übt harsche Kritik an Energiepolitik

Berlin. Oliver Bierhoff ist eher ein überraschender Name unter der Anzeige, ebenso Ex-SPD-Innenminister Otto Schily. Ansonsten haben den dramatischen energiepolitischen Appell, der heute in etlichen Zeitungen erscheint, viele der wichtigsten Wirtschaftsführer Deutschlands unterzeichnet

Berlin. Oliver Bierhoff ist eher ein überraschender Name unter der Anzeige, ebenso Ex-SPD-Innenminister Otto Schily. Ansonsten haben den dramatischen energiepolitischen Appell, der heute in etlichen Zeitungen erscheint, viele der wichtigsten Wirtschaftsführer Deutschlands unterzeichnet. Der Vorgang zeigt, dass die Auseinandersetzung um die Energiepolitik immer härter wird, je näher die Entscheidung über das Energiekonzept der Bundesregierung rückt. "Mut und Realismus für Deutschlands Energiezukunft" verlangen die fast 50 Unterzeichner, und sie kritisieren die geplante Brennelemente-Steuer ebenso wie die vorgesehenen Einschränkungen bei den Ausnahmen von der Ökosteuer für energieintensive Betriebe: "Eine Politik, die darauf setzt, den Haushalt mit neuen Energiesteuern zu sanieren, blockiert notwendige Investitionen in die Zukunft." Aus dem Munde von Leuten, die ansonsten als Befürworter der schwarz-gelben Regierung gelten, ist das eine herbe Kritik, zumal wenn sie öffentlich vorgebracht wird. Zugleich sprechen sich die Unterzeichner für eine Verlängerung der Atomlaufzeiten aus, "bis auf Weiteres", was auf viele Jahre hindeutet. Den Text haben nicht nur die Verantwortlichen der vier großen Energiekonzerne unterschrieben, sondern auch viele Industrie-Bosse, darunter mit Bahn-Chef Rüdiger Grube (Fotos: dpa) sogar der Hauptverantwortliche eines Bundes-Unternehmens. Besonders schmerzlich für die Kanzlerin dürfte sein, dass ihr enger Berater, der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, ebenfalls auf der Liste steht. Noch im letzten Jahr hatte er seinen 60. Geburtstag im Kanzleramt feiern dürfen. Auch BDI-Präsident Hans-Peter Keitel stellte sich hinter den Aufruf, ebenso CDU-Wirtschaftspolitiker wie Kurt Lauk, der Fraktionsvize Michael Fuchs und Merkels alter Gegenspieler Friedrich Merz. Der frühere SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ist ohnehin Dauergast bei solchen Aktionen. In Berlin war der Vorstoß am Freitag Top-Thema, zeigte er doch, dass die Wirtschaft gegenüber der Koalition ihre Beißhemmungen abgelegt hat. Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte zu beschwichtigen. In der Energiedebatte hätten sich erst die Atomkraftgegner lautstark zu Wort gemeldet, nun eben die Befürworter. "Das ist ein Beitrag zu einer breiten Diskussion." Die Kritik an der Brennelemente-Steuer trifft die Regierung ins Mark. Denn sie ist mit 2,3 Milliarden Euro ein wichtiger Teil des Sparpakets und steht für die soziale Ausgewogenheit des gesamten Vorhabens.SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte die Bundesregierung wegen der Anzeige auf, die laufenden Gespräche mit den Energiekonzernen über eine Einführung der Brennelementsteuer und die Abführung von Gewinnen aus einer möglichen Laufzeitverlängerung sofort zu beenden. "Wir erleben eine bislang ungekannte Propagandawelle der vier Atomkonzerne", sagte Gabriel unserer Zeitung. Merkel müsse jetzt dem Eindruck entgegentreten, dass sie davor einknicke. Gabriel forderte Merkel auf, die Brennelemente-Steuer nicht länger mit einer Laufzeitverlängerung zu verbinden, sondern unabhängig von dieser Frage einzuführen.

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