„Wir wurden schief angesehen“

Wolfgang Lamprecht (80) aus Merzig hat die Anfänge der Bundeswehr hautnah miterlebt. Der gebürtige Berliner wechselte 1956 als junger Leutnant vom Bundesgrenzschutz zur Bundeswehr. 1962 kam er als Kompaniechef ins Saarland. In seiner Laufbahn in der Fallschirmjägertruppe war er unter anderem Bataillonskommandeur in Merzig. Mit dem Oberst a. D. sprach SZ-Redakteur Daniel Kirch.

Sie waren 1956 einer der ersten Offiziere in der Bundeswehr ohne Kriegserfahrung . Gab es in der Truppe damals eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen ehemaligen Wehrmachtssoldaten und Leuten wie Ihnen?

Lamprecht: Überhaupt nicht. Es gab eine Kameradschaft, die älteren Offiziere mit Kriegserfahrung nahmen uns an die Hand und sagten uns, wie man ausbildet und anständig führt.

Hat man in der Truppe damals über die NS-Zeit gesprochen?

Lamprecht: Wir haben keine politischen Diskussionen geführt. Wir haben unseren Soldaten die Grundsätze der inneren Führung vermittelt, im demokratischen Sinn. Die Offiziere mit Kriegserfahrung wurden alle in einem Ausschuss überprüft, bevor sie in der Bundeswehr eingestellt wurden. Diese Armee war dem Staat gegenüber hundertprozentig loyal. Sie war bereit, für die Durchsetzung des Grundgesetzes einzutreten.

Wie wurden Soldaten damals in der Bevölkerung aufgenommen?

Lamprecht: Der Slogan war: "Nie wieder Soldat". Wir wurden schief angesehen. Man traute sich kaum, in Uniform allein in einer Stadt auszugehen. Wir wurden als junge Offiziere angespuckt. Das war nicht einfach.

Auch im Saarland?

Lamprecht: Da gab es keine Schwierigkeiten. Wir wurden hier gut aufgenommen.

Die gesellschaftlichen Veränderungen der 60er und 70er Jahre haben auch vor der Truppe nicht haltgemacht.

Lamprecht: Natürlich nicht, die Armee ist ja ein Kind der Gesellschaft und der Zeit. Es wurde liberaler. Wobei Befehl und Gehorsam niemals in Frage gestellt wurden.

Herrschte Misstrauen gegenüber diesen neuen Tendenzen?

Lamprecht: Nein, das war ein schleichender Prozess. Man merkte das erst im Nachhinein. Ich habe 1978 kurz vor Weihnachten das Bataillon in Merzig in der Kaserne eingeschlossen, weil wir den Auftrag hatten, die Evakuierung deutscher Staatsbürger im Ausland sicherzustellen. Wir haben uns hinter dem Kasernenzaun verschanzt. Das wurde damals nicht ausgeglichen durch Urlaub. Heute ist das alles schwieriger.

Seit Jahren dürfen Frauen zur kämpfenden Truppe. Wie sieht das jemand, der in der alten Bundeswehr groß geworden ist?

Lamprecht: Man gewöhnt sich daran. Man muss das aus der Zeit heraus sehen. Meine Enkelin ist Leutnant in der Bundeswehr . Der Gesetzgeber will das so, dann kann ich mich doch nicht dagegenstellen. Es ist sicherlich kein Schaden, wenn auch Frauen in der Bundeswehr sind.

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