"Wir wollen regieren"

Hannover. Wie ein Honigkuchenpferd strahlt Guido Westerwelle, als er die Bilanz seiner bisher achtjährigen Amtszeit als FDP-Vorsitzender Revue passieren lässt. In den fünf größten Ländern regieren die Liberalen nun mit. Und jetzt zeigt das Barometer auch für den Bund stabile 14 Prozent. Die Macht in Berlin ist zum Greifen nah

Hannover. Wie ein Honigkuchenpferd strahlt Guido Westerwelle, als er die Bilanz seiner bisher achtjährigen Amtszeit als FDP-Vorsitzender Revue passieren lässt. In den fünf größten Ländern regieren die Liberalen nun mit. Und jetzt zeigt das Barometer auch für den Bund stabile 14 Prozent. Die Macht in Berlin ist zum Greifen nah. Es überrascht nicht, dass der Vorsitzende am Abend mit dem Rekordergebnis von 95,84 Prozent wieder gewählt wird. Die FDP präsentiert sich geschlossen und selbstbewusst wie lange nicht mehr. Auch die üblichen Personalquerelen fehlen. Jörg-Uwe Hahn, den Westerwelle als "Stimmenkönig von Hessen" lobt, wäre zwar gerne ins Präsidium gerückt, verzichtet aber auf eine Kampfkandidatur. So kann die bisherige Führungsriege, die Westerwelle "Team" nennt, wieder antreten. Westerwelles Botschaft auf dem Parteitag: Der FDP gehe es allein um die Sache. "Kein Ministerposten kann so wichtig sein, dass wir unsere Prinzipien und unsere Wähler verraten", ruft er am Ende aus. Das kann man als halbe Absage an eine Ampel-Koalition interpretieren. Andererseits sagt Westerwelle in den aufbrandenden Beifall hinein: "Wir wollen regieren." Eine bürgerliche Mehrheit mit der CDU sei das klare Wahlziel. Der Vorsitzende nennt 2009 ein schicksalhaftes Jahr für Deutschland. Nicht wegen der Krise. Sondern weil "die Achse dieser Republik nach links zu verschoben werden droht". Er spricht von "Riesenunterschieden" zwischen der FDP und dem kompletten Rest der Parteienlandschaft, inklusive CDU. Und er sagt, früher hätten die Bauern Aufstände gemacht, weil sie den Zehnt nicht abliefern wollen. Heute werde die Mittelschicht mit Steuern und Abgaben um 50 Prozent von ihren Einkommen geschröpft. "Wir müssen das steuerrebellische Bewusstsein der Deutschen wieder wecken." Da jubelt der Parteitag. Die FDP erklärt sich in Hannover zur einzigen Partei, die die Interessen der Mittelschicht vertritt. "Die Mehrheit der Deutschen steht morgens auf", sagt Westerwelle. "Diese Mehrheit wird von allen anderen Parteien vergessen." Westerwelle grenzt diese Wähler ab von jenen, "die morgens liegen bleiben". Arbeit müsse sich wieder lohnen, sagt er, und das steht auch als Motto über dem Parteitag. "Es gibt ein Recht auf Faulheit. Aber nicht auf staatlich bezahlte Faulheit." Dass erst am Donnerstag ein riesiges Steuerloch von 316 Milliarden Euro für die nächsten vier Jahre geschätzt wurde, ficht Westerwelle nicht an. Im Gegenteil, er macht es zum Argument für die FDP-Reform. "Lasst den Bürgern mehr von ihrem Fleiß. Das ist das beste Konjunkturprogramm". Jetzt müssen das nur noch die Wähler glauben.Meinung

Westerwelles Drahtseilakt

Von Werner Kolhoff Die FDP nutzt den Umstand aus, dass die CDU in der großen Koalition nach links hat rücken müssen. Wahltaktisch ist das nicht ungeschickt. Entsprechend eindeutig hat Guido Westerwelle in Hannover das Ziel schwarz-gelb ausgegeben. Bloß: Was ist, wenn es dafür nicht reicht? Wenn es im September mit einer Regierungsbeteiligung nicht klappt, wäre man weitere vier Jahre in der Opposition. Und bei der Wahl 2013 sind in der SPD die Tabus für ein rot-grünes Bündnis mit der Linkspartei wahrscheinlich gebrochen. Dann würde es wieder nichts werden. Und deshalb gibt es in der FDP genug Leute, die bei jeder Koalitionsaussage auf einen Zusatz bestehen: Sag niemals nie.

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