„Wir wissen nie, wie es am nächsten Tag weitergeht“

Sid/Belgrad · Trotz der Grenzschließung in Ungarn kamen in den vergangenen Wochen unzählige Flüchtlinge auf der Balkan-Route über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien gut organisiert voran. Jetzt herrscht wieder Chaos.

 Firas Monna mit Ehefrau Manal und ihren drei Kindern im serbischen Sid. Foto: Herbst

Firas Monna mit Ehefrau Manal und ihren drei Kindern im serbischen Sid. Foto: Herbst

Foto: Herbst

. Es ist kalt und windig an der serbisch-kroatischen Grenze bei Sid. In einem ehemaligen Kinderkrankenhaus auf serbischer Seite ist ein Transit-Camp für Flüchtlinge eingerichtet. "Eine Woche lang haben wir keine Nacht in einem Bett geschlafen", erzählt der Syrer Firas Monna (37). Hier gibt es selbst im Gebäude mehr Betten als Flüchtlinge . Die auf dem Gelände aufgebauten Zelte werden nicht benötigt. "Wir sind müde, wollen aber nicht übernachten, sondern schnell weiter nach Kroatien. Schlafen können wir nach Grenzübertritt auch im Bus", sagt der Mann, der im Hafen der syrischen Küstenstadt Latakia gearbeitet hat. Dort ist er vor einer Woche mit seiner Frau Manal (32), ihrem fünf Monate alten Baby und zwei weiteren Kindern gestartet. Für die Fahrt von der Türkei nach Griechenland habe er mit zwei anderen Familien 22 000 Dollar an Schlepper bezahlt. 17 Menschen in einem kleinen Boot auf dem offenen Meer. Alles sei gut gegangen. Weil es so schnell ging, will er auch jetzt keine Zeit verlieren. Neben der Verpflegung für die Kinder ist ihm wichtig, dass er hier im Camp sein Mobiltelefon aufladen kann. So erhält er Informationen von anderen Flüchtlingen und Verwandten. "Wir wissen aber trotzdem nie, wie es am nächsten Tag weitergeht. Aber wir schaffen es." Was ist sein Ziel? "Deutschland, Holland, vielleicht auch Schweden", sagt Monna. Sein Bruder lebe in Hamburg.

So wie seine Familie haben es auch alle anderen Flüchtlinge in dem Camp am vergangenen Freitag eilig. Der Winter naht und niemand weiß, wann es wieder Probleme an Grenzen geben wird. Genau dies ist seit dem Wochenende der Fall. Die Grenze von Serbien nach Kroatien, aber auch die von Kroatien nach Slowenien wurde immer wieder für mehrere Stunden geschlossen. Tausende von Flüchtlingen haben die Nacht zu gestern allein vor dem serbisch-kroatischen Grenzübergang zwischen Berkasovo und Bapska verbracht - bei strömendem Regen, wartend in tiefen Schlamm am Straßenrand. Obwohl es noch freie Plätze in serbischen Flüchtlingscentern gab, wollten viele ihren Platz nicht aufgeben, um bei einer Grenzöffnung schnell durchzukommen. "Am Morgen konnten alle die Grenze passieren", sagt Ivan Miskovic, ein Sprecher des serbischen Kommissariats für Flüchtlinge und Migration. Solange haben andere Flüchtlinge nicht gewartet, sondern die grüne Grenze illegal überquert. Ziel ihres 15 Kilometer langen Fußmarsches war das mittlerweile überfüllte Aufnahmelager im kroatischen Opatovac. Dies ist ebenso wie Sid aber nur ein Transit-Stopp. "Niemand will Asyl in Serbien", sagt Miskovic. Seit Anfang des Jahres seien 220 000 Flüchtlinge gut organisiert durch das Land gereist. Die Reisedauer werde immer kürzer. Kaum ein Flüchtling halte sich mehr als ein oder zwei Tage in Serbien auf. So sind auch am Belgrader Busbahnhof nur noch wenige Flüchtlinge zu sehen, die sich dort verpflegen oder medizinisch behandeln lassen. "Tumulte und Chaos entstehen vor allem an den Grenzübergängen", so Miskovic. Die Lage dort könne sich stündlich ändern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort