"Wir müssen für die Industrie kämpfen"

Wo sehen Sie Mängel im neuen Energiekonzept der Bundesregierung?Platzeck: Es erzeugt schon eine gewisse Genugtuung, wenn der Bund nun endlich das macht, was nicht zuletzt auch ich immer wieder gefordert habe: so schnell wie möglich raus aus der Atomenergie

Wo sehen Sie Mängel im neuen Energiekonzept der Bundesregierung?Platzeck: Es erzeugt schon eine gewisse Genugtuung, wenn der Bund nun endlich das macht, was nicht zuletzt auch ich immer wieder gefordert habe: so schnell wie möglich raus aus der Atomenergie. Es ist bis heute nicht nachvollziehbar, warum die Bundesregierung angesichts der Risiken der Nutzung der Atomenergie ohne jede Not den rot-grünen Atomkonsens aufgekündigt hat. Wenn ich mir aber anschaue, wie der Atomausstieg tatsächlich passieren soll, habe ich doch meine Zweifel, ob da mit dem aktuellen Gesetzentwurf schon alles zu Ende gedacht ist. Während zum Beispiel beim rot-grünen Atomkonsens genau geregelt war, wie die Atomkraftwerke entsprechend ihres Alters schrittweise vom Netz gehen, gibt es jetzt eine solche verbindliche Festlegung der Schritte nicht. Auch die sicherheitstechnischen Anforderungen an die AKW müssen strenger sein als bislang vorgesehen. Da muss nachgearbeitet werden.

Das neue Energiekonzept erwähnt die saubere Kohleverstromung kaum noch und setzt auf Gaskraftwerke. Setzen Sie noch auf die CCS-Technologie, das Abscheiden und Einlagern von Kohlendioxid aus Kohlekraftwerken?

Platzeck: Deutschland ist ein Hochindustrieland. Das dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Für die künftige Energiepolitik heißt das: schrittweise und unumkehrbar aus der Atomenergie auszusteigen, zweitens den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energiequellen konsequent voranzutreiben und drittens konventionelle Energieträger wie die heimische Braunkohle als Brückentechnologie für den Übergang zu nutzen. Wenn wir gleichzeitig unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, muss nach Wegen gesucht werden, die Braunkohleverstromung klimafreundlicher zu machen. CCS kann dabei unter bestimmten Voraussetzungen eine wichtige Option sein.

Werden Sie dem CCS-Gesetz zustimmen?

Platzeck: Das werden wir entscheiden, wenn das Gesetz zur Abstimmung steht.

Wie kann sich die SPD in der Energiepolitik positionieren?

Platzeck: Die SPD muss deutlich machen, wie mit der Energiewende der Industriestandort Deutschland erhalten und gestärkt werden kann. In Forschung, Entwicklung und Produktion werden weiter neue Arbeitsplätze entstehen. Wir sind hier in vielen Bereichen schon Weltmarktführer; das müssen wir konsequent ausbauen. Gleichzeitig gilt es, unsere breite industrielle Basis zu erhalten. Dazu gehören ausdrücklich auch energieintensive Branchen. Wir haben in der Wirtschaftskrise gesehen, dass die Länder, die ihre Industrien vernachlässigt und nur auf Dienstleistungen gesetzt haben, schwer ins Schleudern geraten sind. Deswegen muss die SPD für die breite industrielle Basis kämpfen. Gleichzeitig müssen wir beim Umbau der Energieversorgung immer im Blick behalten, dass die Bürger ihre Stromrechnung auch bezahlen können.

Hintergrund

Wegen der zahlreichen abgeschalteten AKW befürchtet die Bundesnetzagentur schon zu Pfingsten Strom-Engpässe. Die Stromnetze befänden sich derzeit generell an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit, sagte deren Präsident Matthias Kurth. Zu Pfingsten könne es wegen der schwachen Last "eng werden im Netz". Er appellierte an die Regierung, das neue Energiekonzept zügig anzugehen. afp

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