"Wir brauchen eine Mindestrente, um Altersarmut zu vermeiden"

Herr Schreiner, verlängertes Arbeitslosengeld, höheres Wohngeld, verbesserte Rentenanhebung - ist der Arbeitnehmerflügel wieder mit seiner SPD versöhnt?Schreiner: Ein paar besonders harte Einschnitte der Agenda 2010 wurden vernünftigerweise zurückgenommen. Aber das reicht noch nicht aus

Herr Schreiner, verlängertes Arbeitslosengeld, höheres Wohngeld, verbesserte Rentenanhebung - ist der Arbeitnehmerflügel wieder mit seiner SPD versöhnt?

Schreiner: Ein paar besonders harte Einschnitte der Agenda 2010 wurden vernünftigerweise zurückgenommen. Aber das reicht noch nicht aus. Unser Bundeskongress wird sich dazu am Wochenende klar positionieren.

Wo drückt der Schuh am meisten?

Schreiner: Bei der Rente sehen wir noch dringenden Korrekturbedarf. Alle einschlägigen Untersuchungen belegen, dass wir es in absehbarer Zeit mit einer größeren Altersarmut zu tun bekommen, wenn die Weichen nicht neu gestellt werden. Notwendig ist eine Mindestrente. Die Forderung nach Mindestlöhnen stößt in der Bevölkerung auf breite Zustimmung. Und ich bin mir sicher, dass die Mindestrente ähnlich viel Zuspruch erhalten würde.

Was verstehen Sie unter Mindestrente?

Schreiner: Wer über Jahrzehnte in die Rentenversicherung einzahlt, muss im Alter deutlich mehr haben, als die steuerfinanzierte Sozialhilfe. Was bei der Mindestrente nicht durch Beiträge gedeckt ist, sollte über einen stärkeren Bundeszuschuss für die Rentenkasse ausgeglichen werden. Damit würden sich auch alle Diskussionen über eine Anrechnung der Riester-Rente auf die Grundsicherung erübrigen.

Horst Köhler meint, wenn Arbeitslose wieder in Beschäftigung kämen, dann sei das wichtiger als zusätzliches Geld für Sozialleistungen. Irrt der Bundespräsident?

Schreiner: Wenn der Betroffene von dieser Arbeit leben kann, ist dagegen nichts einzuwenden. Aber die Praxis sieht anders aus. Deshalb wollen wir auch die radikale Zumutbarkeits-Regelung für die Arbeitsaufnahme von Hartz-IV-Empfängern ändern. Zumutbar darf nur tariflich bezahlte Arbeit sein. Wo das nicht möglich ist, müssen Mindestlöhne her.

Die Koalition hat gerade ein Modell zur stärkeren Beteiligung der Arbeitnehmer am Gewinn ihrer Betriebe entwickelt. Wäre das nicht ein besserer Weg für auskömmliche Einkommen?

Schreiner: Von diesem Konzept sind keine Wunder zu erwarten. Im Kern wird auf Instrumente zurückgegriffen, die schon in der Vergangenheit kaum etwas gebracht haben. Nicht einmal jeder zehnte Arbeitnehmer ist heute in irgendeiner Weise am Kapital seiner Firma beteiligt. Es ist auch abwegig, zu glauben, mit solchen Modellen ließe sich ein Ausgleich für die völlig unzureichende Lohnentwicklung schaffen. Hier sind kräftige Tariflohnzuwächse das Gebot der Stunde.

Unter den SPD-Linken gibt es Unmut über den Bahnkompromiss der Parteiführung. Plädieren Sie für einen Sonderparteitag, um das Problem zu lösen?

Schreiner: Da bin ich zurückhaltend, weil ich die Schwierigkeiten sehe, in der unser Vorsitzender Kurt Beck dabei steckt. Wenn es gelingt, die angestrebte Privatisierung der Bahn im Umfang von maximal 24,9 Prozent sattelfest zu machen, dann ist das gerade noch vertretbar.

Hamburg wird schwarz-grün. Soll sich die SPD umgekehrt stärker der Linkspartei öffnen?

Schreiner: In einer Demokratie müssen prinzipiell alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig sein. Dazu gehört auch die Linkpartei.

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