Wieder Kämpfe um Berg-Karabach

Eriwan · In der umstrittenen Kaukasusregion Berg-Karabach sind nach 20 Jahren Waffenruhe wieder Kämpfe ausgebrochen. Die internationale Gemeinschaft warnt vor einer Eskalation in der Region.

Nach den schwersten Kämpfen um die Kaukasusregion Berg-Karabach seit mehr als 20 Jahren hat die internationale Gemeinschaft vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan gewarnt. Trotz einer von Baku ausgerufenen Waffenruhe dauerten die Gefechte nach armenischen Angaben auch gestern an. Mindestens 30 Soldaten wurden getötet.

Die Uno, die USA, Russland und die Bundesregierung drangen auf ein Ende der Gewalt. Die Gefechte in dem von Baku und Eriwan beanspruchten Gebiet Berg-Karabach im Südkaukasus, die in der Nacht zum Samstag begonnen hatten, waren die schwersten seit der Unterzeichnung eines Waffenstillstandsabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien im Jahr 1994. 18 armenische und zwölf aserbaidschanische Soldaten wurden nach Angaben beider Regierungen getötet. Auch zwei Zivilisten sollen unter den Opfern sein.

Aserbaidschan, das nach eigenen Angaben einige von Armenien kontrollierte Stellungen in Berg-Karabach eroberte, rief am Sonntag als "Zeichen des guten Willens" eine einseitige Waffenruhe aus. Allerdings werde die Armee weiterhin auf "Provokationen" des armenischen Militärs reagieren. Die von Armenien unterstützte Präsidentschaft in Berg-Karabach erklärte jedoch, die Kämpfe seien am Sonntag keineswegs eingestellt worden. Das armenische Verteidigungsministerium bezeichnete die von Baku verkündete Feuerpause als "Falle".

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Beteiligten auf, "den Kämpfen ein sofortiges Ende zu setzen" und umgehend Schritte zur Deeskalation einzuleiten. US-Außenminister John Kerry rief Armenien und Aserbaidschan zum Gewaltverzicht auf. Auch der russische Präsident Wladimir Putin appellierte an die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken, Zurückhaltung zu üben, um weitere Opfer zu vermeiden. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) rief dazu auf, "die Kampfhandlungen unverzüglich einzustellen und den Waffenstillstand in vollem Umfang zu respektieren".

Armenien und Aserbaidschan streiten seit Anfang der 90er um die Region Berg-Karabach. Proarmenische Rebellen hatten das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet, das zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden war, Ende der 80er Jahre mit Eriwans Unterstützung unter ihre Kontrolle gebracht. Im Zuge eines jahrelangen Kriegs wurden hunderttausende Menschen aus beiden Ländern vertrieben und schätzungsweise 30 000 Menschen getötet. 1994 wurde ein Waffenstillstand vereinbart, einen Friedensvertrag gibt es aber bis heute nicht. International wird Berg-Karabach weiterhin als Teil Aserbaidschans angesehen, Armenien erkennt dies aber nicht an.

Aserbaidschan hatte in der Vergangenheit wiederholt damit gedroht, Berg-Karabach zurückzuerobern, sollten internationale Bemühungen zur Lösung des Konflikts erfolglos bleiben. Das von Russland unterstützte Armenien versichert, es könne jeder Offensive standhalten. Aserbaidschan zählt wiederum die Türkei zu seinen Verbündeten.

Meinung:

Eingefrorener Konflikt

Von SZ-MitarbeiterHelge Donath

Die große Besorgnis in Moskau und Washington über die Entwicklung im Südkaukasus ist weder gespielt noch eine diplomatische Floskel. Wirklich zur Ruhe kam diese Region auch nach dem Waffenstillstand 1994 nicht. Mit der Balance zwischen Baku und Eriwan fuhr Moskau zwar lange Zeit sicher. Inzwischen wurde aber die Türkei für Russland zum Gegner. Deren Präsident Recep Erdogan macht daraus auch kein Hehl, wenn er Baku überschwänglich Ankaras Solidarität zusichert. Damit droht ein Stellvertreterkrieg, der das Brennmaterial für einen unkontrollierbaren Flächenbrand enthält.

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