Wieder Ärger mit der Linken

Berlin. Im Plenarprotokoll der 60. Sitzung des Bundestages ist folgende Äußerung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vermerkt: "Im Übrigen schließe ich die Kolleginnen und Kollegen der Linken, die glauben, den Plenarsaal mit T-Shirts bereichern zu müssen, vom weiteren Verlauf der Sitzung aus. Sie verlassen bitte unverzüglich den Plenarsaal." Gesagt, getan

Berlin. Im Plenarprotokoll der 60. Sitzung des Bundestages ist folgende Äußerung von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) vermerkt: "Im Übrigen schließe ich die Kolleginnen und Kollegen der Linken, die glauben, den Plenarsaal mit T-Shirts bereichern zu müssen, vom weiteren Verlauf der Sitzung aus. Sie verlassen bitte unverzüglich den Plenarsaal." Gesagt, getan. Das war am Freitag vorletzter Woche. Seitdem tobt zwischen Lammert und den Linken ein heftiger Streit, der jetzt sogar vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe fortgeführt wird. Es geht vordergründig um T-Shirts, mit denen fünf linke Abgeordnete während der Debatte über den Verkehrshaushalt gegen das Bahnhofs-Projekt "Stuttgart 21" protestiert haben. Lammert wollte die Parlamentarier dafür von zwei weiteren Sitzungstagen und damit auch von der kompletten Parlamentsarbeit ausschließen, und zwar an diesem Mittwoch und Donnerstag. Die Geschäftsordnung des Bundestages lässt dies bei "gröblicher Verletzung der Ordnung" zu. Laut Paragraph 38 kann ein Abgeordneter sogar bis zu 30 Tage suspendiert werden. Gegen Lammerts Strafe legten die Linken aber am Wochenende beim Bundesverfassungsgericht per Eilantrag Widerspruch ein. Der Bundestagspräsident setzte deshalb den Ausschluss bis zu einer Entscheidung aus. Aus Sicht der Linken ist die Strafe völlig überzogen, wie aus der gut 15-seitigen Begründung für das Verfassungsgericht hervorgeht. Linken-Justiziar Wolfgang Neskovic sagt: "Es gab keine gröbliche Verletzung der parlamentarischen Gepflogenheiten." Durch die Aktion sei der Ablauf im Bundestag nicht erheblich gestört worden. Erstens hätten die Abgeordneten das T-Shirt unter den Jackets getragen, "wenn Lammert nicht reagiert hätte, wer das kaum jemandem aufgefallen", so Neskovic zu unserer Zeitung. Und zweitens habe es auch Parlamentarier anderer Fraktionen gegeben, die mit Buttons gegen "Stuttgart 21" protestiert oder Zeitungsartikel am Rednerpult hochgehalten hätten. Lammert geht es allerdings um mehr. Sein Vorgehen lässt sich auch unter der Rubrik "immer Ärger mit den Linken" zusammenfassen. Vor Monaten sorgten sie für Aufruhr, als sie während einer Debatte Transparente und Fahnen gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr enthüllten. Auch saßen Abgeordnete schon mal mit Masken im Parlament. "Dutzende von Störungen", heißt es seitens der Bundestagsverwaltung, habe es in den letzten Jahren gegeben. Folge: Der Bundestag verschärfte 2009 auf Initiative der anderen Fraktionen seine Geschäftsordnung. Selbst die Einführung von Geldstrafen war ein Thema, wurde aber verworfen. Heute wird sich der Bundestag noch einmal mit dem Thema beschäftigen. Es wird mit einem vollen Haus gerechnet. Meinung

Provokation als Programm

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß Bundestagspräsident Lammert ist die Hutschnur gerissen. Und das mit Recht. Denn die Linke kann von der Provokation im Parlament einfach nicht lassen, mehr noch, sie scheint sie zum Programm erhoben zu haben. Der Punkt ist jedoch: Der Bundestag hat sich bewusst enge Spielregeln für das Zusammenwirken der politischen Kräfte und für die Art und Weise des Umgangs miteinander gegeben. Nicht zuletzt aus der historischen Erfahrung von Weimar heraus. Der Protest der Straße, so berechtigt er ja auch mitunter ist, hat im Plenarsaal nichts zu suchen. Und der Bundestag darf auch nicht instrumentalisiert werden, um vielleicht medial ein wenig mehr Aufmerksamkeit zu erlangen. Wer das alles ignoriert, wer wie die Linke die Volksvertretung gerne mal der Lächerlichkeit preisgibt, schadet dem Ansehen des Parlamentarismus insgesamt - und in der Folge sich selbst.

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