Höhenflug einer Partei Die Grünen schweigen und genießen

Bremen/Berlin · Zwischen Höhenflug und Kanzlerfrage: Wird der Erfolg der Ökopartei anhalten? Und ist das Bündnis mit den Linken in Bremen ein Modell für den Bund?

 Ist auch eine doppelte Kanzlerkandidatur denkbar? Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck halten sich bislang bedeckt.

Ist auch eine doppelte Kanzlerkandidatur denkbar? Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck halten sich bislang bedeckt.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Der Aufstieg ist kurios, die Entwicklung kaum vorhersehbar: Die Grünen sind derzeit ein Phänomen, mit dem sich nicht nur Politologen in ganz Deutschland befassen. In Bremen hat sich die Ökopartei jetzt erneut für ein Linksbündnis entschieden. Statt eine ebenfalls rechnerisch mögliche Koalition mit der CDU und den Liberalen einzugehen, bogen sie in Richtung SPD und Linkspartei ab. Taugt Bremen als „bundespolitisches Signal“, dass Rot-Rot-Grün angesagt ist und nicht Jamaika, wie man nun in der Linkspartei frohlockt? Der Mainzer Politikwissenschaftler Jürgen Falter teilt diese Sichtweise durchaus: „Viele Grüne fühlen sich einfach der SPD und der Linken näher als Union und FDP“, sagte Falter unserer Redaktion. Am Freitagabend hat denn auch die Bremer SPD den Weg für Verhandlungen über eine rot-rot-grüne Regierung freigemacht.

Glaubt man dem aktuellen ZDF-Politbarometer, muss sich die Union ohnehin warm anziehen: Demnach sind CDU/CSU und Grüne mit 27 beziehungsweise 26 Prozent in der Wählergunst fast gleichauf. Bei der Sonntagsfrage im ARD-„Deutschlandtrend“ lagen sie sogar erstmals knapp vor der Union. Einer YouGov-Umfrage zufolge ist jeder Zweite (46 Prozent) der Meinung, die Grünen sollten einen Kanzlerkandidaten aufstellen.

Genau darüber möchte bei den Grünen aber niemand reden. Die Parteichefs Habeck (49) und Annalena Baerbock (38) haben eine Standardantwort auf die ständig wiederkehrende K-Frage parat: „Wir wollen nicht um uns selbst kreisen.“ 

Dass sich mit Partei-Ikone Hans-Christian Ströbele jetzt ausgerechnet einer der beliebtesten Grünen-Politiker für eine Kanzlerkandidatur ausspricht, dürfte der Parteispitze nicht gefallen. Wenn das Hoch in den Umfragen anhalte, wäre es „fahrlässig“, keinen Kanzlerkandidaten aufzustellen, sagt Ströbele, der am Freitag seinen 80. Geburtstag feierte. Aber wer soll es werden? In der Partei halten einige Baerbock für besser geeignet. Sie gilt als die sachliche, besonnene, ausgleichende Hälfte des Spitzenduos, Habeck – trotz seiner Regierungserfahrung in Schleswig-Holstein – als emotionaler, manchmal zu impulsiv.

Bisher ist von Konkurrenz zwischen den beiden nichts zu spüren. Die Doppelspitze funktioniere, berichten Grüne unisono. Kanzlerschaft im Team? „Menschlicher Wille kann alles verändern“, antwortete Baerbock spontan, ergänzte aber sofort: Bisher habe eine Person die Führung übernommen, und es sei jetzt nicht der Plan, das zu ändern.

Die Strategie der Grünen-Spitze ist clever. Viele Grüne misstrauen Machtpolitikern, das bekam etwa Joschka Fischer zu spüren. Dazu kommt ein gewisses Misstrauen den Umfragewerten gegenüber – denn es ist nicht der erste Höhenflug, der schnell verflogen ist. Schon 2011, kurz nach dem atomaren Gau von Fukushima, wurde Winfried Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg. Auch damals kam die K-Frage auf. Als Favorit galt Joschka Fischer, der den Spekulationen aber schnell eine Absage erteilte.

Das Thema verschwand damals schnell wieder. Das Jahr 2011 zeigte den Grünen nämlich auch, dass man mit Umfrage-Hochs lieber vorsichtig umgehen sollte. Die Berliner Landespartei stellte Renate Künast als Kandidatin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters auf, weil sie ein Jahr vor der Wahl in den Umfragen mit 30 Prozent klar vor der versammelten Konkurrenz lag. Künast scheiterte schließlich krachend.

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