Wer hat Angst vorm Schwarzen Loch?Kann uns ein Teilchenbeschleunigergefährlich werden?

Genf. Seit über zehn Jahren arbeiten 7500 Physiker im Forschungszentrum für Teilchenphysik CERN (Conseil Europ&en pour la Recherche Nucl&aire) bei Genf an einem gewaltigen Stück Technik. In einem unterirdischen Teilchenbeschleuniger, einem Ring von 27 Kilometer Länge, wollen sie untersuchen, was das Universum zusammenhält

Genf. Seit über zehn Jahren arbeiten 7500 Physiker im Forschungszentrum für Teilchenphysik CERN (Conseil Europ&;en pour la Recherche Nucl&;aire) bei Genf an einem gewaltigen Stück Technik. In einem unterirdischen Teilchenbeschleuniger, einem Ring von 27 Kilometer Länge, wollen sie untersuchen, was das Universum zusammenhält. Dabei werden die Forscher des Large Hadron Collider (LHC) für Sekundenbruchteile Umweltbedingungen erzeugen, die jenen im Universum kurz nach dem Urknall entsprechen.

Vier Milliarden Euro kostet die Steuerzahler in Europa das Projekt. Im LHC werden Wasserstoff-Atomkerne mit annähernd Lichtgeschwindigkeit durch armdicke Tunnelröhren rasen und in sechs riesigen Detektoren aufeinander prallen. In jedem der Protonenstrahlen steckt die Energie eines 400 Tonnen schweren Zuges, der mit 150 Kilometern pro Stunde über die Schiene saust. Die Kollision der Teilchenstrahlen wird auf kleinstem Raum extreme Energien freisetzen. Auf die dabei entstehenden subatomaren Bruchstücke haben es die Physiker abgesehen.

Der Anfang des Alls

Die Technik ist nicht neu, allerdings wurden dabei noch nie so hohe Kollisionsenergien erzeugt, sagt James Gillies, Wissenschaftsredakteur an Europas Zentrum für Hochenergiephysik. Es sind grundlegende Fragen, die Physiker mit dem Beschleuniger zu beantworten suchen. Wie entstand Masse? Und warum gibt es mehr Materie als Antimaterie im All?

"Wir hoffen, unsere neuen Theorien über den grundlegenden Aufbau des Universums überprüfen zu können", sagt Professor Jan Louis vom Institut für Theoretische Physik an der Uni Hamburg. Viele hundert Milliarden Teilchenkollisionen müssen ausgewertet werden, um daraus Schlüsse ziehen zu können. Die Teilchenphysiker haben ein weltweites Netzwerk von über 100 Computerzentren in 31 Ländern rund um den Erdball entwickelt, die bestimmte Teilaufgaben übernehmen.

Wie immer, wenn es um den Vorstoß an neue Grenzen geht, kann es Überraschungen geben. Die bei diesen Experimenten erzeugten Energien sind zum Beispiel so gewaltig, dass einige Forscher sogar die Erzeugung winziger Schwarzer Löcher für denkbar halten. Ihre großen Brüder im All verschlingen alle Materie und sogar alles Licht in weitem Umkreis. Eine Gefahr für die Erde sehen die CERN-Physiker jedoch nicht. Interessant wäre der Nachweis Schwarzer Löcher im Teilchenbeschleuniger aber aus physikalischer Sicht allemal, weil das Hinweise auf noch unbekannte Dimensionen der Welt geben könnte, wie sie in einigen Theorien vorhergesagt werden, so Professor Jan Louis.

Wie sicher ist diese Technik?

Immerhin nahm die Verantwortlichen des CERN die Sorgen so ernst, dass sie sogar eine eigene Internetseite zu diesem Thema angelegt haben. Das zentrale Argument, warum unserer Welt von diesen Versuchen kein Risiko drohe, beziehen die Physiker aus Beobachtungen in der Natur. Die Energie ihres Teilchenbeschleunigers sei zwar größer als die aller anderen Maschinen dieser Art auf der Erde. Doch verglichen mit der kosmischen Strahlung, die ununterbrochen die Erdatmosphäre bombardiert, sei sie gering. Und da die kosmische Strahlung der Erde bisher nicht geschadet habe, stellten diese Versuche auch kein Risiko dar. Saarbrücken. Da nach Albert Einstein Energie und Masse gleich sind und Masse einer "Krümmung" von Raum und Zeit entspricht, kann man sich ein Teilchen im atomaren Maßstab vorstellen, das so energiereich wird, dass es die Struktur von Raum und Zeit verändert und zu einem Schwarzen Loch auf atomarer Ebene wird. Die dafür nötige Energie bezeichnen Physiker als "Vereinheitlichungsenergie". Sie ist 100 Milliarden mal größer als die Energie, die der LHC erzeugt. Mit einem Teilchenbeschleuniger eine solche Anomalie zu erzeugen, wäre in etwa mit dem Versuch zu vergleichen, mit Zigarettenrauch einen Nagel in die Wand schlagen oder durch eine Investition von zehn Euro eine Weltfinanzkrise auszulösen. Im Weltraum gibt es zwar Prozesse, die viel höhere Energien als der LHC erzeugen. Doch auch sie kommen nicht an die Vereinheitlichungsenergie heran.

Schwarze Löcher im großen Maßstab sind dagegen Anomalien in der Raumzeit, die unbestritten existieren. Zum Beispiel sitzt im Zentrum unserer Milchstraße ein Schwarzes Loch von Millionen Sonnenmassen. Doch diese Riesen unterscheiden sich erheblich von ihren kleinen Brüdern - falls es die überhaupt gibt.

Als Physikstudent lernt man, dass sich im Prinzip jeder Gegenstand, zum Beispiel ein Auto, zu einem Schwarzen Loch zusammenpressen ließe. Es wäre kleiner als ein Atomkern. Der Physiker Steven Hawking hat darüber nachgedacht, was mit einem so kleinen Schwarzen Loch geschieht und konnte zeigen, dass es nicht stabil sein könnte, sondern um so schneller zerfällt, je kleiner es ist. Für das Auto aus dem Beispiel ergibt sich nach Hawkings Formel eine Lebensdauer von einer Millionstel Milliardstel Sekunde. In so kurzer Zeit wäre es aber nicht in der Lage, nennenswert Materie aufzunehmen. Daraus schließen Physiker, dass solche Anomalien der Raumzeit, selbst wenn man sie erzeugen könnte, sofort zerfallen.

 So stellt sich die amerikanische Raumfahrtagentur Nasa ein Schwarzes Loch im Weltraum vor. Grafik: Nasa

So stellt sich die amerikanische Raumfahrtagentur Nasa ein Schwarzes Loch im Weltraum vor. Grafik: Nasa

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