Wenn Flüchtlinge bei Salafisten Anschluss finden

Freitagmittag in einer Sackgasse im Berliner Norden. Hunderte von Menschen, fast ausschließlich Männer, strömen aus einer Hinterhof-Moschee, die auf einem Gewerbehof im Wedding liegt. Misstrauische, teilweise auch feindselige Blicke. Iraker, Syrer und Muslime aus Afrika treffen sich hier zum Gebet. Etwa jeder Zehnte trägt einen langen, ungestutzten Bart. Nach der Predigt plaudern die Männer im Sonnenschein auf der Straße. Doch die Atmosphäre ist nicht unbeschwert.

 Die Ibrahim-Al-Khalil-Moschee in Berlin ist eine Anlaufstelle für muslimische Flüchtlinge und offenbar ein Treffpunkt für Salafisten. Foto: dpa

Die Ibrahim-Al-Khalil-Moschee in Berlin ist eine Anlaufstelle für muslimische Flüchtlinge und offenbar ein Treffpunkt für Salafisten. Foto: dpa

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Viele Flüchtlinge sind Muslime . Da liegt es nahe, zu fragen, was die vielen deutschen Moscheevereine tun, um ihren Glaubensbrüdern den Neustart in Deutschland zu erleichtern. Spätestens seit der Tunesier Anis Amri auf dem Berliner Breitscheidplatz einen Lastwagen in die Menge steuerte, wächst die Sorge. Denn der Terrorist verkehrte vor dem Anschlag, der zwölf Menschen das Leben kostete, in verschiedenen Moscheen der Hauptstadt, die dem salafistischen Milieu zugerechnet werden. In Berlin leben aktuell nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes 840 Salafisten - das sind 160 mehr als ein Jahr zuvor. 380 von ihnen hält die Behörde für "gewaltorientiert".

Gesammelt wird im Wedding auch für den Moscheeverein As-Sahaba, zu dessen inoffiziellem Führungszirkel der Berliner Verfassungsschutz einst Reda Seyam zählte. Der gebürtige Ägypter soll sich später in Syrien der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen haben. Zuletzt tauchte er den Angaben zufolge als "Verantwortlicher eines Gremiums für Bildung" des "IS-Kalifats" in der irakischen Stadt Mossul auf.

Obwohl sich Seyam laut Verfassungsschutz schon vor vier Jahren aus Deutschland abgesetzt haben soll, steht sein Name immer noch auf dem Klingelschild einer Wohnung in der Nähe der Seituna-Moschee im Berliner Bezirk Charlottenburg. Seyam habe früher immer freundlich gegrüßt, doch er habe ihm nicht über den Weg getraut, erzählt ein ehemaliger Nachbar. Seyams Ehefrau und die Kinder lebten immer noch dort, erzählt der Rentner, der seinen Namen aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht sehen möchte. Die Seituna-Moschee, die im März 2014 in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Fitnessstudios eröffnet wurde, ist eine von zwei Moscheen , die Amri in Berlin besucht haben soll. Auch Amthal al-Anane kann sich an Seyam noch erinnern. "Der lief vor zehn Jahren immer in der Al-Nur-Moschee herum", sagt der gebürtige Iraker. Er ist Mitglied des Vorstandes der Ibrahim Al-Khalil Moschee in Berlin-Tempelhof. Im Berliner Verfassungsschutzbericht 2015 heißt es, die Ibrahim Al-Khalil Moschee habe sich neben der Al-Nur-Moschee und der As-Sahaba-Moschee als "Treffpunkt von extremistischen Salafisten etabliert".

Al-Anane wehrt sich gegen diese Einschätzung. Er sagt: "Wenn einer mit radikalen Ideen zu uns kommt, dann sagen wir ihm, "Geh weg"." Mit der Flüchtlingshilfe wolle er nichts mehr zu tun haben. Damit habe man schlechte Erfahrungen gemacht, sagt der hochgewachsene Mann mit dem akkurat gestutzten Bart. 2015 habe der Verein Flüchtlingen erlaubt, in seinen Räumlichkeiten zu übernachten, Kleiderspenden gesammelt, Essen ausgegeben. "Doch dann kam so viel Druck von den Sicherheitsbehörden und von den Medien, da haben wir es gelassen", erzählt er. Um zu beweisen, dass es seinem Verein damals nicht um die salafistische Indoktrinierung der Schutzsuchenden ging, sagt Al-Anane: "Es waren nicht einmal alle Muslime , auch ein Serbe hat hier übernachtet."

Wer die Ibrahim al-Khalil Moschee nicht kennt, findet sie nicht. Kein Schild weist auf den Verein hin, der eine Etage in einem alten Fabrikgebäude angemietet hat. Auf einem Aushang sind die Aktivitäten des Vereins aufgelistet: Fatwas (islamisches Rechtsgutachten), Islam-Seminare, Eheschließungen, Scheidungen, Sprachkurse. Kusai A. sitzt an einem der weißen Plastiktische in der Cafeteria. Er hat einen Ordner vor sich, sortiert Papiere.

Kusai A. ist aus dem Irak geflohen. Dort habe er ein gutes Leben gehabt, sagt der gelernte Krankenpfleger. Doch sein Vater sei entführt und ermordet worden, "nur weil er Sunnit war", sagt der Iraker. Er ringt um Fassung. "Ich habe 20 000 Dollar bezahlen müssen, um seine Leiche zu erhalten", sagt er leise. Zwei Tränen tropfen auf ein Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, das er eben noch glatt gestrichen hatte. Er verabschiedet sich zum Mittagsgebet. 15 Männer haben sich hinter dem Imam aufgereiht. Zwei tragen lange Gewänder , die anderen Jeans, Jogginghosen, Winterkleidung.

Wenn jemand plötzlich einen Bart und lange Gewänder trage, müsse das noch lange nicht bedeuten, dass von ihm eine Gefahr ausgehe, sagt Susan Hermenau, Sprecherin von Prisod, einer Firma, die 18 Flüchtlingsheime betreibt. Sie sagt: "Diejenigen, die sich verändern, bei denen kann man auch nicht sagen, "Aha, ein Salafist, der wird wahrscheinlich als Salafist irgendwo einen Bus reinfahren" - diejenigen, die etwas planen, halten sich äußerlich dann auch eher zurück.

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