Wenn der Lohn nicht zum Leben reicht

Nürnberg. Die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz ihres Jobs auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, ist spürbar gestiegen - allein von Januar bis Ende Juli um fast 65000 auf 1,35 Millionen. Dies spreche für ein vom Staat gefördertes Lohndumping, sagte der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Wilhelm Adamy

Nürnberg. Die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz ihres Jobs auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, ist spürbar gestiegen - allein von Januar bis Ende Juli um fast 65000 auf 1,35 Millionen. Dies spreche für ein vom Staat gefördertes Lohndumping, sagte der Arbeitsmarktexperte des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Wilhelm Adamy. Eine Sprecherin der Bundesagentur für Arbeit widersprach dieser Darstellung. Nach der von der Bundesagentur veröffentlichten Datenreihe stieg die Zahl der so genannten Aufstocker, deren Arbeit mindestens 800 Euro brutto im Monat einbringt, von Januar bis Juli um 15000 auf knapp 385000. Dies waren 5000 mehr als im Juli vergangenen Jahres. Die Zahl derjenigen mit einem Bruttoverdienst zwischen 400 und 800 Euro, die zusätzlich Leistungen nach Hartz IV bezogen, stieg seit Jahresbeginn bis Juli um knapp 12000 auf knapp 243600. Adamy sagte, obwohl die Zahl arbeitsloser Hartz-IV-Empfänger um etwa ein Fünftel gesunken sei, habe sich die Zahl der Aufstocker auffallend vergrößert. "Demoralisierend"Da die Wirtschaft zuletzt floriert habe, hätte es seiner Auffassung nach eigentlich weniger Aufstocker geben müssen, sagte Adamy. Das Gegenteil sei aber der Fall. Für die Betroffenen sei dies "demoralisierend". Laut Adamy ist das Aufstocken von Löhnen vor allem in der Gastronomie, bei Reinigungsdiensten und in der Leiharbeitsbranche verbreitet. BA-Sprecherin Ilona Mirtschin sagte, die Zahlen seien nicht so leicht zu interpretieren. So müsse es sich bei den Aufstockern nicht zwingend um Geringverdiener handeln. Vielmehr bezögen häufig auch Normalverdiener mit einer großen Familie zusätzliche staatliche Leistungen. Eine Zunahme der Bezieher müsse auch nicht im Widerspruch zum Aufschwung stehen. Vielmehr sei es den Arbeitsagenturen zuletzt immer häufiger gelungen, besonders schwierige Fälle wie Langzeitarbeitslose oder gering Qualifizierte wieder in Arbeit zu bringen - nicht zuletzt durch die mit den Hartz-Gesetzen möglich gewordenen Sanktionen für den Fall, dass sie eine Arbeit ablehnen. Der Lohn dieser Jobs reiche bei diesen Härtefällen aber häufig nicht, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Deshalb seien zusätzlich zum Verdienst Leistungen aus den Töpfen von Hartz IV nötig. afp

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