Wenn auf Kuba wieder eine US-Flagge weht

In diesen Tagen, in denen eine Epoche zu Ende geht, wirkt in Havanna alles so wie immer. Die Interessenvertretung der USA, ein trotziger und klotziger Betonbau an der malerischen Uferpromenade Malecón, steht weiter wie ein kleiner Staat im Staate, ein eckiges Gebäude mit Fenstern wie Schießscharten. 50 Konsularbeamte bearbeiten hier die Visa-Anträge und verlosen Aufenthaltserlaubnisse. An der Interessenvertretung, auf der von Freitag an wieder die US-Flagge wehen wird, war kalter Krieg lange ganz heiß, als die USA im obersten Stockwerk des Gebäudes nachts leuchtende elektronische Spruchbänder laufen ließen und mehr Freiheiten im Land der Castros einforderten. Diese zogen gleich gegenüber dem Gebäude einen Fahnen-Wald auf, beschallten den Klassenfeind mit Revolutionspropaganda und ließen Sinnsprüche montieren: "Vaterland oder Tod" zum Beispiel. Die belehrenden Spruchbänder gibt es schon lange nicht mehr. Aber Fahnenmasten und Sinnsprüche sind geblieben. Doch sie wirken heute aus der Zeit gefallen, ein Relikt von mehr als einem halben Jahrhundert mehr oder minder offener Feindschaft zwischen den USA und Kuba, die sich geografisch so nah sind und doch immer ideologisch so fern blieben. Geändert hat sich daran nichts, aber die Politik hat auch hier über die Ideologie gesiegt. Und so wird nun heute US-Außenminister John Kerry als erster Chef des State Departement seit 70 Jahren auf die kommunistisch regierte Karibikinsel reisen und die Interessenvertretung zu einer vollgültigen diplomatischen Vertretung machen. Der Erzfeind ist Neufreund. Auch wenn der erste Streit programmiert scheint: Kerry will schließlich zum Empfang die kubanische Opposition laden. Das wird der Regierung in Havanna nicht gefallen. Und wenn man in diesem heißen Sommer die Menschen in Havanna fragt, was sie von der Annäherung halten, dann kommt fast nur Zustimmung. Je mehr US-Amerikaner kämen, umso besser, heißt es oft. "Wir wollen mehr Internet, mehr Smartphones, mehr coole Klamotten und mehr Musik", fordern die Jüngeren. "Wir brauchen das Geld, den Input", sagen die Älteren. Roberto zum Beispiel strahlt über das ganze Gesicht: "Der 17. Dezember", sagt er, "war wie vorgezogenes Weihnachten für mich." Er hat zu Hause eine Flasche Rum aufgemacht und mit der Familie auf die neuen Zeiten angestoßen: "Wir brauchen die Gringos." Roberto ist ein kräftiger Mann, jenseits der 50, der mit seiner Fahrrad-Rikscha im Zentrum von Havanna Anwohner von A nach B befördert. Der 17. Dezember 2014 hat sich den Kubanern in ihr kollektives Gedächtnis gefräst wie der 26. Juli 1953, der offizielle Beginn der Revolution gegen Diktator Batista. An dem Tag vor einem guten halben Jahr traten die Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama gleichzeitig vor die Presse und verkündeten das Ende von einem halben Jahrhundert Feindschaft. "Kuba ist jungfräulich", sagt Jorge, ein junger Physiotherapeut. In Kuba gebe es ja nichts und niemanden, übertreibt er und ruft: "Gringos, ihr seid Willkommen." Gringo ist der Name für US-Bürger. Irgendwie wirkt es so, als würden die Nachbarn im Norden als die Heilsbringer gelten, als diejenigen, die über Nacht alle Engpässe und Probleme beseitigten. Aber Roberto, der Fahrrad-Rikscha-Chauffeur, weiß, dass es so einfach nicht ist: "Wir brauchen das Geld der Touristen, aber wir brauchen auch Gringos, die hier investieren wollen, wir brauchen Industrie und Unternehmen. Schau dich doch um." Und viele Kubaner wissen, dass normale wirtschaftliche Beziehungen nur über die Aufhebung des Embargos gehen. Aber es gibt auch Menschen auf der Insel, die eine zu schnelle Öffnung nach Norden fürchten. Die Gringos brächten ja nicht nur Gutes mit, sagt zum Beispiel Marielena nüchtern: "Sie stehen auf Drogen." Wenn die US-Amerikaner in Scharen kämen, dann ginge auf ihrer Insel ein Stück weit verloren, was nicht nur die Kubaner, sondern auch die Besucher so schätzten: "Uns fehlt es hier an vielem, aber wir haben kaum Kriminalität, niemand konsumiert Rauschgift. Das Leben ist ruhig", hebt die gelernte Übersetzerin hervor.

In diesen Tagen, in denen eine Epoche zu Ende geht, wirkt in Havanna alles so wie immer. Die Interessenvertretung der USA, ein trotziger und klotziger Betonbau an der malerischen Uferpromenade Malecón, steht weiter wie ein kleiner Staat im Staate, ein eckiges Gebäude mit Fenstern wie Schießscharten. 50 Konsularbeamte bearbeiten hier die Visa-Anträge und verlosen Aufenthaltserlaubnisse. An der Interessenvertretung, auf der von Freitag an wieder die US-Flagge wehen wird, war kalter Krieg lange ganz heiß, als die USA im obersten Stockwerk des Gebäudes nachts leuchtende elektronische Spruchbänder laufen ließen und mehr Freiheiten im Land der Castros einforderten. Diese zogen gleich gegenüber dem Gebäude einen Fahnen-Wald auf, beschallten den Klassenfeind mit Revolutionspropaganda und ließen Sinnsprüche montieren: "Vaterland oder Tod" zum Beispiel.

Die belehrenden Spruchbänder gibt es schon lange nicht mehr. Aber Fahnenmasten und Sinnsprüche sind geblieben. Doch sie wirken heute aus der Zeit gefallen, ein Relikt von mehr als einem halben Jahrhundert mehr oder minder offener Feindschaft zwischen den USA und Kuba, die sich geografisch so nah sind und doch immer ideologisch so fern blieben. Geändert hat sich daran nichts, aber die Politik hat auch hier über die Ideologie gesiegt. Und so wird nun heute US-Außenminister John Kerry als erster Chef des State Departement seit 70 Jahren auf die kommunistisch regierte Karibikinsel reisen und die Interessenvertretung zu einer vollgültigen diplomatischen Vertretung machen. Der Erzfeind ist Neufreund. Auch wenn der erste Streit programmiert scheint: Kerry will schließlich zum Empfang die kubanische Opposition laden. Das wird der Regierung in Havanna nicht gefallen.

Und wenn man in diesem heißen Sommer die Menschen in Havanna fragt, was sie von der Annäherung halten, dann kommt fast nur Zustimmung. Je mehr US-Amerikaner kämen, umso besser, heißt es oft. "Wir wollen mehr Internet, mehr Smartphones, mehr coole Klamotten und mehr Musik", fordern die Jüngeren. "Wir brauchen das Geld, den Input", sagen die Älteren. Roberto zum Beispiel strahlt über das ganze Gesicht: "Der 17. Dezember", sagt er, "war wie vorgezogenes Weihnachten für mich." Er hat zu Hause eine Flasche Rum aufgemacht und mit der Familie auf die neuen Zeiten angestoßen: "Wir brauchen die Gringos." Roberto ist ein kräftiger Mann, jenseits der 50, der mit seiner Fahrrad-Rikscha im Zentrum von Havanna Anwohner von A nach B befördert.

Der 17. Dezember 2014 hat sich den Kubanern in ihr kollektives Gedächtnis gefräst wie der 26. Juli 1953, der offizielle Beginn der Revolution gegen Diktator Batista. An dem Tag vor einem guten halben Jahr traten die Präsidenten Raúl Castro und Barack Obama gleichzeitig vor die Presse und verkündeten das Ende von einem halben Jahrhundert Feindschaft.

"Kuba ist jungfräulich", sagt Jorge, ein junger Physiotherapeut. In Kuba gebe es ja nichts und niemanden, übertreibt er und ruft: "Gringos, ihr seid Willkommen." Gringo ist der Name für US-Bürger. Irgendwie wirkt es so, als würden die Nachbarn im Norden als die Heilsbringer gelten, als diejenigen, die über Nacht alle Engpässe und Probleme beseitigten. Aber Roberto, der Fahrrad-Rikscha-Chauffeur, weiß, dass es so einfach nicht ist: "Wir brauchen das Geld der Touristen, aber wir brauchen auch Gringos, die hier investieren wollen, wir brauchen Industrie und Unternehmen. Schau dich doch um."

Und viele Kubaner wissen, dass normale wirtschaftliche Beziehungen nur über die Aufhebung des Embargos gehen. Aber es gibt auch Menschen auf der Insel, die eine zu schnelle Öffnung nach Norden fürchten. Die Gringos brächten ja nicht nur Gutes mit, sagt zum Beispiel Marielena nüchtern: "Sie stehen auf Drogen." Wenn die US-Amerikaner in Scharen kämen, dann ginge auf ihrer Insel ein Stück weit verloren, was nicht nur die Kubaner, sondern auch die Besucher so schätzten: "Uns fehlt es hier an vielem, aber wir haben kaum Kriminalität, niemand konsumiert Rauschgift. Das Leben ist ruhig", hebt die gelernte Übersetzerin hervor.

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HintergrundTrotz der jüngsten Annäherung haben die USA und Kuba ihren jahrzehntelangen politischen Streit noch längst nicht beigelegt. Das sind die wichtigsten Forderungen beider Seiten: Kuba will ein Ende des US-Embargos: Seit Jahrzehnten prangert der kleine Karibikstaat die Anfang der 1960er Jahre verhängten US-Handels- und Wirtschaftssanktionen an. Obwohl US-Präsident Barack Obama das Embargo im Zuge der Annäherung lockerte, kann dieses nur vom US-Kongress völlig aufgehoben werden. Außerdem hat Kuba die Rückgabe der Militärbasis von Guantanamo Bay als Bedingung für normale Beziehungen genannt. Die USA fordern ein Ende der Menschenrechtsverletzungen auf Kuba. Auch sollen die verbotenen Oppositionsgruppen weiterhin etwa durch die US-Vertretung auf der Insel unterstützt werden. Havanna lehnt dies als eine Einmischung in innere Angelegenheiten ab. dpa

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