Weg mit dem "Ballast"

Berlin. Sein Abgang spiegelte gestern offensichtlich seine Stimmung wieder: "So, und jetzt ist mal gut", beendete der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle die Pressekonferenz, um sichtlich genervt auf dem Absatz kehrt zu machen. Die Liberalen sind in Erklärungsnot

Berlin. Sein Abgang spiegelte gestern offensichtlich seine Stimmung wieder: "So, und jetzt ist mal gut", beendete der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle die Pressekonferenz, um sichtlich genervt auf dem Absatz kehrt zu machen. Die Liberalen sind in Erklärungsnot. Und der, der dafür mit verantwortlich ist, wartete schon ungeduldig im Foyer der FDP-Zentrale, um endlich vor den Journalisten Stellung nehmen zu können. Andreas Pinkwart, stellvertretender Parteichef und Vize-Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, hatte am Wochenende mit einem unabgesprochenen Vorstoß die Sonntagsruhe seiner Parteifreunde empfindlich gestört. Wegen des bürokratischen Aufwands forderte er, die Mehrwertsteuersenkung von 19 auf sieben Prozent für Hotelübernachtungen wieder auszusetzen und das Thema erst im Rahmen einer grundlegenden Mehrwertsteuer-Reform wieder aufzurufen. Im Präsidium seiner Partei stellte er den Plan gestern sogar zur Abstimmung, scheiterte jedoch kläglich. Am Rande hieß es, Pinkwart habe zwar nur das ausgesprochen, was viele denken würden. Freilich aber zum falschen Zeitpunkt. Denn im Dezember letzten Jahres hätte der NRW-Mann durchaus die Möglichkeit gehabt, sich mit Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) im Bundesrat in die Front der Gegner um den Schleswig-Holsteiner Peter Harry Carstensen (CDU) einzureihen. Dann wäre das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, in dem der ungeliebte Steuerrabatt enthalten ist, in den Vermittlungsausschuss gegangen, und man hätte ihn dort galant hinausverhandeln können.Dass er sich jetzt nur wegen der Landtagswahlen in NRW am 9. Mai und rapide sinkender Umfragewerte für die FDP aus dem Fenster lehne, wies Pinkwart entschieden zurück. Ihm seien vielmehr damals nicht alle Details und Folgen der Steuersenkung bekannt gewesen. Außerdem sei seine Meinung ja keine Einzelmeinung. Damit die "gute Politik" der Koalition wieder sichtbarer werde, sei es dringend notwendig, "Ballast" abzuwerfen: Die Union müsse den Zusatzbeitrag von acht Euro für Krankenversicherte kippen, die FDP den Hotelsteuerrabatt, "und wir kommen wieder in die Offensive". So einfach ist es natürlich nicht. Erstens, weil Kanzlerin Angela Merkel Änderungen beim Steuerbonus kategorisch ausgeschlossen hat; allein über die Ausführungsbestimmungen soll es noch einmal Bund-Länder-Gespräche geben. Zweitens ist Pinkwart nun Kronzeuge für den Stolperstart der schwarz-gelben Regierung.Westerwelle übergangenBesonders belämmert steht diesbezüglich FDP-Chef Westerwelle da, der von seinem Vize einfach übergangen wurde. Und der sich gestern ein ums andere Mal ordentlich verhedderte, als er nach dem Wieso und Warum gefragt wurde und dabei über Änderungen bei "Nebenleistungen" in Hotels schwadronierte, die dem regulären Mehrwertsteuersatz unterlägen. Das öffentliche Bild von der FDP, auch vom Außenminister ganz persönlich, ist nach den ersten 100 Tagen kein sonderlich gutes. Pinkwarts eher panischer Versuch einer Notbremse belegt dies. Was ihn ärgere, sei, dass die FDP für die "Erblasten" der Vorgängerregierungen verantwortlich gemacht werde, konterte Westerwelle. Er habe auch für die ersten 100 Tage nicht die Illusion eines "Spaziergangs" gehabt. "Wenn es nur um Beliebtheitsumfragen ginge, wäre ich besser Sänger geworden", meinte der FDP-Chef noch. "Können Sie denn singen?", lautete prompt die journalistische Gegenfrage. Die ließ der Oberliberale lieber unbeantwortet.

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