"Webmate" findet jeden Fehler

Saarbrücken. Was macht ein gutes Computerprogramm aus? Es besteht aus genialen Algorithmen, die es bei minimalem Speicherverbrauch auch auf einem Uralt-PC blitzschnell vom Problem zur Lösung flitzen lassen. Ach ja, und noch etwas: Es ist selbstverständlich fehlerfrei. Selbstverständlich? Schön wär's

 Stresstest für Webseiten: Informatiker der Saar-Uni haben ein Programm entwickelt, das Internetseiten per Knopfdruck auf Programmierfehler untersucht. In wenigen Wochen soll die Online-Version veröffentlicht werden. Foto: UdS/Bellhäuser

Stresstest für Webseiten: Informatiker der Saar-Uni haben ein Programm entwickelt, das Internetseiten per Knopfdruck auf Programmierfehler untersucht. In wenigen Wochen soll die Online-Version veröffentlicht werden. Foto: UdS/Bellhäuser

Saarbrücken. Was macht ein gutes Computerprogramm aus? Es besteht aus genialen Algorithmen, die es bei minimalem Speicherverbrauch auch auf einem Uralt-PC blitzschnell vom Problem zur Lösung flitzen lassen. Ach ja, und noch etwas: Es ist selbstverständlich fehlerfrei. Selbstverständlich? Schön wär's. Auch fünf Jahrzehnte nachdem die Informatik zu ihrem Siegeszug durch die Welt der Technik aufbrach, ist ein grundsätzliches Problem noch nicht gelöst: Programme stecken voller Fehler. Auf 1000 Zeilen Code kommt statistisch einer - und da moderne Software immer voluminöser wird, werden es ständig mehr.Dass die Informatik ihr Fehlerproblem nicht im Griff hat, liegt allerdings nicht nur an immer umfangreicheren Programmen, sondern auch an den Informatikern. Sie wollen vorzugsweise geniale Algorithmen entwickeln, denn dafür winken Ruhm und Ehre. Als Lohn der mühsamen Fehlersuche drohen Kopfschmerzen. Da wundert es nicht, dass es unter den rund 700 Informatik-Lehrstühlen an den Hochschulen in Deutschland nur vier gibt, die sich mit der so wichtigen wie ungeliebten Hauptsache des Informatiker-Alltags befassen - der Fehlersuche. Darauf entfallen statistisch 50 Prozent der Arbeitszeit eines Programmierers.

Zu diesen Experten gehört der Saarbrücker Professor Andreas Zeller. Er untersucht die Frage, wie Informatiker bei der Fehlersuche entlastet und ihre Programme gleichzeitig verbessert werden können. Seine Antwort lautet: Software. Zeller hat 2011 einen mit 2,3 Millionen Euro dotierten EU-Forschungspreis für ein Programm zur Fehlersuche in Programmen erhalten. Nun geht der Professor für Softwaretechnik einen Schritt weiter Richtung Internet. Im Projekt "Webmate" entwickelt eine Arbeitsgruppe seines Lehrstuhls einen Stresstest für Webseiten. Der untersucht vollautomatisch, ob eine Internetseite frei von Programmierfehlern ist und auf sämtlichen Rechnern korrekt dargestellt wird.

Früher wurde dies in sogenannten Betatests von Heerscharen eigens verpflichteter Testnutzer Klick für Klick durchgespielt. Im Zeitalter der sozialen Netzwerke ist dagegen Tempo Trumpf. Erschreckend viele Anbieter sparen sich da die Endkontrolle, so Valentin Dallmeier vom Lehrstuhl für Softwaretechnik der Saar-Uni. "Wenn sichergestellt sein soll, dass 95 Prozent aller Internetnutzer eine Webseite korrekt angezeigt wird, müssen 22 Kombinationen aus Betriebssystemen und Internetbrowsern durchprobiert werden", erklärt der Informatiker Martin Burger das Problem. Diesen Aufwand scheuen viele Betreiber. "Bananensoftware" nennen die Informatiker das daraus resultierende Produkt - Programme, die beim Kunden reifen sollen. Solche Massentests könnte künftig "Webmate" übernehmen. Der "Internet-Kumpel" analysiert den Programmcode einer HTML-Seite und versucht alle dort implementierten Funktionen durchzutesten. Dabei untersucht der Fehler-Fahnder nicht nur alle möglichen Kombinationen aus Browsern und Betriebssystemen, sondern auch, was im Fall nicht vorgesehener Eingaben geschieht, erklärt Andreas Zeller. "Das sind Tests, die von den Entwicklern oft einfach vergessen werden." Und die, wie die Informatiker der Saar-Universität aus Erfahrung wissen, oft zu verblüffenden Resultaten führen. So sei es in manchen Text-Eingabemasken zum Beispiel möglich, ausführbaren Programmcode einzutippen. Das kann eine Seite zum Absturz bringen, die Software aber auch veranlassen, die komplette Kundendatenbank eines Online-Anbieters unverschlüsselt preiszugeben. Ob sich in einem Reiseportal plötzlich der Kalender verflüchtigt oder die Geschäftsbedingungen nicht zu Ende gelesen werden können, weil ein Fenster nicht in den Scroll-Modus schaltet, "Webmate" soll die Fehler finden. Was der Internet-Kumpel sonst noch kann, erklären die Saarbrücker Informatiker in einem Video auf ihrer Internetseite www.st.cs.uni-saarland.de/webmate/.

Im Herbst soll Webmate online gehen, dann wird es dort eine Demoversion des Programms geben, in dem jeder Nutzer eigene Seiten testen lassen kann.

Die Saarbrücker Informatiker sind auch mit mehreren Unternehmen aus der Versicherungs- und Dienstleistungsbranche, der Logistik und der Kommunikationsbranche im Gespräch über mögliche kommerzielle Anwendungen ihres Fehlerprüfers. "Wir haben da eine weltweite konkurrenzlose Software", so Martin Burger stolz.

Das Traumziel der Informatiker wäre natürlich, Webmate auf den Internet-Riesen Facebook loszulassen. Auch dort dürfte der Fehler-Schnüffler Interessantes zu Tage fördern. Im Dezember 2011 fiel das soziale Netzwerk, das unter intensiver Beobachtung der Datenschützer steht, jedenfalls unangenehm auf, weil durch einen Programmierfehler private Fotos einiger Nutzer öffentlich wurden. Prominentestes Opfer dieser Panne war damals ausgerechnet der Facebook-Chef Mark Zuckerberg.

st.cs.uni-saarland.de/

webmate

Foto: Saar-Uni

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