Was das Glück mit der Deutschen Post zu tun hat

Berlin/Saarbrücken · Ob Glück oder Ängste: Immer neue Studien sollen Aufschluss geben über die Befindlichkeiten der Menschen in Deutschland. Unternehmen lassen sich die Untersuchungen einiges kosten – nicht ganz ohne Eigennutz.

Die Deutschen fürchten sich vor Terror, sind aber auch zufriedener als noch vor einigen Jahren: Studien wie "Die Ängste der Deutschen" der R+V Versicherung oder der "Glücksatlas" der Post und viele andere sollen Jahr für Jahr neue Erkenntnisse über die Befindlichkeiten der Menschen liefern. Viele finden medial ein großes Echo. Die Umfragen, meist erstellt von renommierten Forschungsinstituten, kosten mitunter fünfstellige Summen und werden aufwendig präsentiert. Warum betreiben Unternehmen diesen Aufwand?

Aus Sicht des Werbe-Experten Jörg Forthmann geht es vor allem darum, Kompetenz, Seriosität und Sympathie zu vermitteln und indirekt auch zu werben. "Wenn ich ein Produkt habe, das ich aufregend in Szene setzen kann, brauche ich keine Studie", sagt Forthmann. Für Unternehmen mit komplexeren und abstrakteren Produkten wie Geldanlagen oder Versicherungen , die sich nicht mit einem Bild oder kurzen Spot erklären ließen, sei eine Studie schon eher das Mittel der Wahl, "um das Thema auszukleiden". Auch der Dortmunder Statistik-Professor Walter Krämer , der jeden Monat eine "Unstatistik des Monats" unter die Lupe nennt, geht davon aus, dass Firmen Studien veröffentlichen, "damit sie mal positiv in die Medien kommen". "Ich hoffe aber nicht, dass sie auf den Ausgang der Untersuchungen Einfluss nehmen. Sie wollen nur mit der Studie zusammen genannt werden, als Kultursponsoren sozusagen", sagt der Forscher.

Dass Studien "durchaus PR" sind, streitet die R+V beispielsweise überhaupt nicht ab. Sie seien vergleichbar mit Presseterminen. "Aber auch nicht mehr", sagt Unternehmenssprecherin Stefanie Simon. "Mit den Studien verkaufen wir keine einzige Versicherung mehr." Vielmehr wollte die R+V mit ihrer Studie seit 1992 Emotionen wie "Angst" und "Sicherheit" einer breiten Öffentlichkeit verständlicher rüberbringen. Dass sich die Deutsche Post seit 2011 mit dem Glück der Deutschen beschäftigt, erklärt Post-Sprecher Alexander Edenhofer mit dem Selbstverständnis des Konzerns. Dazu gehöre es, "Beiträge zu wichtigen gesellschaftlichen Themenstellungen zu leisten". Außerdem verbinde die Post über ihre Brief- und Paketzusteller Menschen und übermittle ihnen damit ein Gefühl der Zufriedenheit.

Eine der wohl ältesten von Unternehmen finanzierten Studien ist die Shell-Jugendstudie. Die erste kam bereits 1952 heraus. Nach dem Ende des Nationalsozialismus hätten Informationen über die Meinungen und Einstellung der jungen Generation gefehlt - "für Shell war das der Anlass, eine erste groß angelegte wissenschaftliche Jugendstudie in Auftrag zu geben", sagt Sprecher Axel Pommeränke. Das Unternehmen beschränke sich auf die Finanzierung.

Der Verein Lobbycontrol hat sich mit Studien beschäftigt, mit denen Unternehmen auch ein spezifisches Eigeninteresse verbinden. So habe beispielsweise ein Ölkonzern eine Studie zu Bürgerprotesten in Auftrag gegeben, von denen er selbst betroffen war, erläutert Christina Deckwirth. Hier sei zu befürchten, dass mit dem Eigeninteresse des Auftraggebers die Unabhängigkeit der Wissenschaft gefährdet sei. "Das halten wir für eine sehr problematische Verwischung der Grenzen zwischen Lobbyarbeit und Wissenschaft."

PR-Experte Forthmann sagt aber: "Es ist falsch, Studien pauschal zu verurteilen." Oft leuchteten sie Themenfelder aus, über die man sonst keine Klarheit hätte. Die Shell-Jugendstudie zeige zum Beispiel, wie sich die Einstellungen der Jugend in den vergangenen Jahrzehnten verändert hätten. "Da gibt es eigentlich nichts Vergleichbares".

Genutzt werde diese Studie von vielen Wissenschaftlern und Verbänden und auch in der Politik, betont Shell-Sprecher Pommeränke. Sie werde von Bundesministerien vorgestellt und in Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages debattiert.

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