Wählen im Schatten des Terrors

Paris · Die Wahllokale 20 und 21 sind keine zwei Blocks vom "Bataclan" entfernt. Schon am frühen Morgen kommen Wähler ins Collège Beaumarchais. Zunächst sind es meist ältere, vielen jungen Wählern in diesem Pariser Szeneviertel steckt noch ein langer Abend in den verschlafenen Knochen.

Nebenan vor dem Winterzirkus warten Eltern mit ihren Kindern auf die erste Vorstellung des Tages. Einige waren schon wählen, andere wollen später noch gehen.

Die Terroranschläge vom 13. November prägen die erste Runde der Regionalwahlen in Frankreich. Das gesamte Land ist im Ausnahmezustand. Gerade im Großraum Paris sind Polizeieskorten und Militärpatrouillen auch am Wahltag ständig präsent.

Im Osten der französischen Hauptstadt nutzen einige den Weg zum Wahllokal für einen Abstecher in stiller Trauer: zum "Bataclan" etwa, wo während eines Konzert die meisten der 130 Opfer ermordet wurden, oder zum "Bonne Bière", das seit diesem Wochenende als erstes der betroffenen Lokale wieder geöffnet hat. Überall liegen auch an diesem Wahlsonntag frische Blumen, brennen neue Kerzen an den Orten des blutigen Grauens.

Die, die wählen gehen, wollen sich nicht beeinflussen lassen vom Terror. Viele Pariser sagen "Jetzt erst recht". Doch der islamistische Terror liefert auch Wasser auf die Mühlen der Demagogen von ganz Rechts. Der rechtsextreme Front National (FN) von Parteichefin Marine Le Pen kann seine Umfragewerte in der ersten Runde in Wählerzustimmung umsetzen. In sechs Regionen liegen seine Kandidaten vorn.

Die 47-Jährige, die in der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie klar an der Spitze landete, gilt als erbitterte Gegnerin von Europa, offenen Grenzen und Ausländern. Die Regionalwahlen sind die letzte landesweite Entscheidung vor der Präsidentschaftswahl 2017. Und nach den Ergebnissen vom Sonntag sieht Le Pen den FN schon als "erste Partei Frankreichs". Ihre Partei habe ein "großartiges Ergebnis" erzielt, sagte die FN-Chefin nach der Wahl vor jubelnden Anhängern. "Wir sind dazu berufen, die nationale Einheit zu erreichen, die das Land braucht", sagte sie.

Mit rund einem Drittel der Stimmen liegen die Rechtsextremen klar vor den Republikanern von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy (27 Prozent) und den regierenden Sozialisten von Präsident François Hollande (23 Prozent). Im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag können die Sozialisten dann mit Unterstützung von Grünen und radikaler Linken rechnen, die zusammen bei gut zehn Prozent landeten. Der Konservative Nicolas Sarkozy lehnte gestern Abend ein Bündnis gegen die Rechtsextremen ab.

Doch selbst, wenn der FN auch in der zweiten Runde der Regionalwahlen Erfolg haben sollte, liegt das eigentliche Machtzentrum - der Élyséepalast - für Marine Le Pen in weiter Ferne. Bisher ist das französische Mehrheitswahlrecht ein Bollwerk gegen den Front National . Ihr Vater Jean-Marie Le Pen schaffte es zwar 2002 überraschend in Runde zwei, unterlag jedoch deutlich dem parteiübergreifend unterstützten Kandidaten Jacques Chirac , der auf gut 82 Prozent kam.

Tochter Marine Le Pen bemüht sich nach Kräften um einen bürgerlichen Anstrich für ihre Partei. Dafür brach sie 2015 sogar mit ihrem Vater und warf ihn nach wiederholten antisemitischen Äußerungen aus der Partei.

Auf wen Marine Le Pen 2017 im Präsidentschaftswahlkampf treffen wird ist noch unklar. Bei den konservativen Republikanern gilt der vor Ehrgeiz berstende Ex-Präsident Nicolas Sarkozy als Dauerkandidat. Allerdings liegt Sarkozy bei Umfragen in der Beliebtheit klar hinter seinem parteiinternen Widersacher Alain Juppé . Und der sozialistische Präsident François Hollande verweigert weiter jede Antwort zu einer möglichen neuen Kandidatur 2017.

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