Kein Ende der Festnahmen Vor drei Jahren scheiterte der Putschversuch gegen Erdogan

Ankara/Istanbul · (SZ/dpa) Besiegelte der Putschversuch vor exakt drei Jahren das Ende der türkischen Demokratie? In der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 versuchten Teile der türkischen Armee, die Regierung von Staatspräsident Tayyip Recep Erdogan zu stürzen.

In Ankara und Istanbul fanden schwere Gefechte zwischen Soldaten und Polizei statt. Erdogan befand sich zu dieser Zeit im Urlaub und rief seine Anhänger auf, die Putschisten zu stoppen. Tatsächlich leisteten viele Bürger Erdogans Gegnern Widerstand, indem sie sich den Panzern entgegenstellten – und die Regierung gewann die Kontrolle zurück. Bei dem Putschversuch fanden mehr als 250 Menschen den Tod, Tausende wurden verletzt. Für den Umsturzversuch macht Erdogan den in den USA im Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich, dem er „jahrelange Infiltrierung“ von Armee, Polizei, Justiz und Ministerien vorwirft. Zugleich verhängte der türkische Staatspräsident den Notstand und ließ in der Folge zehntausende Menschen verhaften, darunter viele Armeeangehörige, Beamte und hohe Juristen – sowie Journalisten, auch aus dem Ausland.

 Der deutsch-türkische Reporter Deniz Yücel etwa saß von Februar 2017 bis Februar 2018 im Hochsicherheitsgefängnis Silivri bei Istanbul in Untersuchungshaft, davon neun Monate in Isolationshaft. Erst kürzlich hat das Verfassungsgericht in Ankara die U-Haft des Reporters für rechtswidrig erklärt. Das Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit sowie das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit seien verletzt worden, hieß es in dem Urteil. Die Richter fällten die Entscheidung einstimmig. Der Journalist erhalte einen Schadenersatz von 25 000 Türkischen Lira (rund 3800 Euro), entschieden die Richter. Dennoch geht die Verhandlung gegen Yücel am Dienstag weiter. Ihm wird in der Anklage „Propaganda für eine Terrororganisation“ sowie „Aufstachelung des Volkes zu Hass und Feindseligkeit“ vorgeworfen.

Auch fast drei Jahre nach dem Putschversuch lässt die Regierung Erdogan nicht locker und sucht weiter intensiv nach angeblichen Mitverschwörern. Allein in der vergangenen  Woche schrieben Staatsanwälte wieder mindestens 295 Fahndungsbefehle aus, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Den Berichten zufolge nahmen Sicherheitskräfte noch am selben Tag 66 Menschen fest. Den Gesuchten werden ebenfalls Verbindungen zur Gülen-Bewegung vorgeworfen. In einem Gerichtsverfahren in Ankara wurden letzte Woche 33 Angeklagte zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt – acht von ihnen müssen unter „erschwerten“ Bedingungen hinter Gitter, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Die Staatsanwaltschaft warf ihnen „Verstoß gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ vor. Auch in diesem Urteil ging es um die Vorgänge in der Putsch-Nacht. Nach Erdogans Angaben sitzen derzeit mehr als 30 000 Gülen-Anhänger in Gefängnissen.

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