Von der Leyen behält Doktortitel

Hannover · Ursula von der Leyen ist mit einem blauen Auge davongekommen: Die Verteidigungsministerin darf ihren Doktortitel behalten, muss aber mit deutlicher Kritik ihrer Hochschule leben.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU ) darf ihren Doktortitel trotz "klarer Mängel" weiter führen. "Es geht hier um Fehler, nicht um Fehlverhalten", sagte der Präsident der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Senatsvorsitzende Christopher Baum gestern nach Abschluss einer Prüfung der Arbeit. Das Muster der gefundenen Plagiate spreche nicht für eine Täuschungsabsicht. Die mit der Überprüfung der Doktorarbeit beauftragte Kommission "Gute Wissenschaftliche Praxis" und der Senat der MHH hätten übereinstimmend "klare Mängel" im Wesentlichen in der Einleitung der Arbeit gefunden, sagte Baum. "Wir sprechen von Fehlern, für die Frau Dr. von der Leyen als Autorin der Dissertation verantwortlich ist", fügte der Hochschulpräsident hinzu. "Konkret geht es um Fehler in der Form von Plagiaten, also Übernahme fremder Textpassagen, ohne die Originalautoren korrekt zu kennzeichnen." Dennoch entschied der Senat Baum zufolge mit sieben zu eins Stimmen bei einer Enthaltung, dass die Verteidigungsministerin ihren Doktortitel weiter führen darf. Kommission und Senat seien zu dem Schluss gekommen, "dass das Muster der Plagiate nicht für eine Täuschungsabsicht spricht", erläuterte Baum. Die von der Ministerin begangenen Fehler stellten den wissenschaftlichen Wert der Arbeit "nicht grundsätzlich infrage". Die außerdem erhobenen Vorwürfe einer möglichen Verletzung ethischer Regeln bei der Behandlung und Untersuchung von Patienten der betroffenen Studie seien "eindeutig ausgeräumt" worden. "Die Durchführung der Studie erfolgte im Einklang mit den geltenden ethischen Normen", stellte Baum klar.

Die Internetplattform Vroniplag Wiki hatte die Arbeit von der Leyens untersucht und im vergangenen Jahr die Plagiatsvorwürfe erhoben. Die MHH leitete daraufhin Ende August eine Prüfung ein. Von der Leyen hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und sich selbst für eine Prüfung ihrer Arbeit eingesetzt.

Über Plagiatsvorwürfe waren in den vergangenen Jahren mehrere Politiker gestürzt, unter anderem die einstige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU ) und der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU ). In anderen Fällen wurden die Vorwürfe durch die jeweiligen Hochschulen entkräftet - so bei Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ) und bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU ).

Meinung:

Knapp am Karriereknick vorbei

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Es gibt mehrere Punkte, die den Skandal um die Doktorarbeit von Ursula von der Leyen unterscheiden von ihren Ex-Ministerkollegen Karl-Theodor zu Guttenberg und Annette Schavan . Von der Leyens sehr offener Umgang mit den Vorwürfen ist der eine. Wichtiger noch ist die Tatsache, dass es sich um eine medizinische Doktorarbeit handelt. Der Theorieteil, in dem sie abgekupfert hat, macht nur ein Drittel aus. Zweidrittel der Arbeit, ihr medizinisches Experiment, ist offenbar sauber. Die Arbeit ist nicht im Kern gemogelt. Das hat die Universität gewürdigt. Die CDU-Politikerin ist knapp an einem erheblichen Karriereknick vorbeigeschrammt. Sie kann nun nicht nur Verteidigungsministerin bleiben, sie ist weiterhin auch Kanzlerin-Reserve. Nachdem gerade Thomas de Maizière wegen seiner Leistungsschwäche in der Flüchtlingskrise als möglicher Nachfolger Angela Merkels ausgeschieden ist, derzeit sogar die einzige. Allerdings eine mit Kratzer.