Vom Versuch, die Kirche zu erneuern

Rom. Auch der Papst war einmal jung. Josef Ratzinger hatte gerade seinen 35. Geburtstag gefeiert, als sich die 2498 katholischen Bischöfe aus der ganzen Welt am 11. Oktober 1962 im Petersdom zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelten

Rom. Auch der Papst war einmal jung. Josef Ratzinger hatte gerade seinen 35. Geburtstag gefeiert, als sich die 2498 katholischen Bischöfe aus der ganzen Welt am 11. Oktober 1962 im Petersdom zum Zweiten Vatikanischen Konzil versammelten. 50 Jahre ist es her, dass Ratzinger dort den Kölner Kardinal Josef Frings beriet, einen derjenigen Konzilväter, die die Versammlung nachhaltig prägen sollten. Dafür waren auch die damals vergleichsweise fortschrittlichen Ideen seines jungen Beraters verantwortlich. Der Bonner Theologe Ratzinger machte in Rom außerdem wichtige Erfahrungen, die heute sein Pontifikat als Benedikt XVI. prägen sollten.

Johannes XXIII. hatte auf eine Versammlung aller Bischöfe gedrungen, die sich von 1962 bis 1965 in vier Sitzungsperioden und nach seinem Tod unter Paul VI. fortsetzte. Wenige Jahre vor der Zeitenwende 1968 sollte die Kirche in wichtigen internen Fragen neu positioniert werden. Fortschrittliche und konservative Kräfte trugen im Konzil einen Streit um die Neuausrichtung aus. Kardinal Frings war einer der Wortführer im Streit mit der erzkonservativen Kurie.

Das Konzil blieb letztlich hinter den großen Erwartungen zurück, folgenreich war das Schisma, dessen Grundstein damals in Rom gelegt wurde. Unter der Führung des Bischofs von Dakar, Marcel Lefebvre, spalteten sich die Traditionalisten in der Konsequenz des Konzils ab. Diese sprengende Kraft einer damals als beinahe revolutionär angesehenen Versammlung der obersten Katholiken hat Ratzinger und weite Teile der Kirche traumatisiert. Aus der Geschichte des Konzils erklärt sich die für die laizistische Öffentlichkeit oft nur schwer nachvollziehbare, aber fortdauernde Bemühung um die Wiedereingliederung der erzkonservativen Piusbrüder. Das damals ausgelöste Trauma ist bis heute nicht überwunden.

Die Eröffnung des Zweiten vatikanischen Konzils nach 1870 in einer rückwärts gewandten und auf uralten Riten beharrenden Kirche wurde dennoch als Sensation empfunden. Die Kirche bestimmte ihr Verhältnis zu anderen Religionen neu, öffnete sich dem Judentum, und bekannte sich erstmals klar zur Religionsfreiheit. Fragen der Ökumene waren Johannes XXIII. ein besonderes Anliegen, beim auf Lateinisch abgehaltenen Konzil waren als Zeichen der Öffnung erstmals auch Beobachter anderer Glaubensrichtungen zugelassen.

In der Konstitution "Gaudium et Spes" ("Freude und Hoffung") sprachen sich die Konzilväter für eine Hinwendung der Kirche zur Welt aus: Die Kirche sollte sich fortan nicht mehr abgrenzen, sondern zu Fragen der Wissenschaft, Kultur, Politik, Familie und zum Weltfrieden äußern. Vor allem der polnische Kardinal und Konzilsteilnehmer Karol Wojtyla verwirklichte diesen Anstoß später als Papst Johannes Paul II. Auch die Reform der lateinischen Gottesdienst-Liturgie wurde vom Konzil vorweggenommen und zum Zankapfel mit den Traditionalisten. Roms Bedingung einer Wiedereingliederung der Piusbrüder ist die Anerkennung der bindenden Konzilsbeschlüsse. Doch auch wenn das Konzil als bedeutendstes Ereignis in der katholischen Welt des 20. Jahrhunderts gilt, ist die Enttäuschung über seine Folgen groß. Die wachsende Bedeutung von Einzelkirchen und Bischöfen, die sich damals angedeutet hatte, bestätigte sich nicht. "Dagegen hat der kuriale Zentralismus zugenommen", sagt Kardinal Walter Kasper, emeritierter Präsident des Päpstlichen Einheitsrates. Viele Laien beklagen eine Abkehr der Kurie vom liberalen "Geist des Konzils" und die Rückkehr zu Tradition und päpstlichem Absolutismus. Themen wie Zölibat, Rolle der Frau in der Kirche oder Geburtenregelung wurden vom Konzil auf Betreiben der Kurie ignoriert und stehen auch heute in Rom nicht auf der Tagesordnung. "Zum Feiern besteht meiner Ansicht nach kein Anlass, eher zu einem Bußgottesdienst oder einer Trauerandacht", sagt deshalb Hans Küng. Der Schweizer ist einer der beiden letzten noch aktiven Theologen, die schon am Konzil teilnahmen. Der andere ist der Papst. "Zum Feiern besteht meiner Ansicht nach

kein Anlass,

eher zu einem Bußgottesdienst."

Hans Küng, Schweizer Theologe, der am Konzil teilnahm

Hintergrund

Fünf Jahrzehnte nach dem Beginn des Reformkonzils der katholischen Kirche eröffnet der Papst ein "Jahr des Glaubens". Es startet heute mit einer feierlichen Messe zum 50. Jahrestags des Konzilbeginns auf dem Petersplatz. Zehn Tage später spricht Benedikt XVI gleich sieben bereits selige Glaubenszeugen heilig. Vor Pfingsten 2013 pilgern Angehörige geistlicher Bewegungen zum Petrusgrab und feiern eine Messe mit dem Papst auf dem Petersplatz. Eine große Wallfahrt angehender Ordensleute steht dann im Juli ebenso ganz im Zeichen dieses Glaubensjahres wie der geplante Weltjugendtag in Rio de Janeiro. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort