Wahlprogramm vorgestellt Grüne „Vitaminspritze“ für das Land

<irspacing style="letter-spacing: -0.01em;">Berlin</irspacing> · Die Öko-Partei stellt ihr Programm vor, mit dem sie nach der Bundestagswahl im September in die Regierung einziehen will. Mit dabei: eine Überraschung.

  Präsentierten gut gelaunt den Programmentwurf: Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Präsentierten gut gelaunt den Programmentwurf: Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach den Linken und der SPD haben jetzt auch die Grünen ihr Programm zur Bundestagswahl vorgestellt. Parteichef Robert Habeck sprach am Freitag von einer „Vitaminspritze für das Land“. Unter dem Motto „Deutschland. Alles ist drin.“ setzt die Partei auf einen „klimagerechten Wohlstand“ – und den Einzug ins Kanzleramt.

Für die Präsentation ihres Wahlprogramms vor vier Jahren hatten die Grünen noch eine trendige Ausflugskneipe in Berlin-Kreuzberg angemietet. Damals herrschte dort drangvolle Enge. Diesmal ging es coranabedingt sehr viel nüchterner zu. In den großen Räumlichkeiten eines Event-Centers im Norden der Hauptstadt schienen sich Habeck und Co-Chefin Annalena Baerbock wegen des gebotenen Abstands auf dem Podium fast zu verlieren. Journalisten durften nur per Livestream dabei sein. Das tat der Botschaft des Führungsduos aber keinen Abbruch: Man will nicht auf Platz spielen, sondern auf Sieg. „Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik kämpfen wir, Bündnis 90/Die Grünen, um die politische Führung in diesem Land“. So steht es schon im Vorwort des Programmentwurfs.

Im Mittelpunkt steht, wenig überraschend, der grüne Markenkern: Mit einem „Klimaschutz-Sofortprogramm“ will man „auf den 1,5-Grad-Pfad“ des Pariser Klimaabkommens zurückfinden. Dafür soll Deutschland schon bis 2030 insgesamt 70 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als im Jahr 1990. Die Bundesregierung hat eine Marke von 55 Prozent festgelegt. Zu den weiteren Forderungen gehören eine drastische Erhöhung des CO2-Preises im Bereich Wärme und Verkehr auf 60 Euro pro Tonne schon bis 2023 (derzeit sind es 25 Euro) und die Abschaltung aller Kohlekraftwerke bis 2030. Jetzt gilt eine Frist bis 2038. Umgekehrt soll ein Energiegeld bei Verbrauchern für Entlastung sorgen. Außerdem wollen die Grünen Tempo 130 auf Autobahnen und ein Neuzulassungsverbot bei Benzin- und Diesel-Autos ab 2030. 

Im sozialen Bereich setzt der Programmentwurf auf eine Kindergrundsicherung, eine „sofortige“ Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro (zurzeit 9,50 Euro) sowie verbesserten Mieterschutz. „Harz IV“ will man „überwinden“ und in eine sanktionsfreie und armutsfeste „Garantiesicherung“ umwandeln. Was das genau heißt, bleibt offen. Die Grundrente für Niedriglöhner wollen die Grünen „reparieren“ und zu einer „Garantierente“ weiterentwickeln. Auch hier fehlen allerdings nähere Angaben. 

Dafür wissen Besser- und Top-Verdiener schon jetzt, woran sie mit den Grünen sind. Der Spitzensteuersatz soll von 42 auf 45 Prozent angehoben werden, die sogenannte Reichensteuer von 45 auf 48 Prozent. Auch bei größeren Vermögen soll kräftiger zugelangt werden. Kapitalerträge würden wieder der individuellen Einkommensteuer unterworfen und nicht mehr pauschal versteuert. Außerdem wird die Wiedereinführung der Vermögenssteuer angepeilt. Für Vermögen oberhalb von zwei Millionen Euro sollen jährlich ein Prozent an den Staat abgeführt werden. 

Mit den zusätzlichen Einnahmen wollen die Grünen einen Teil ihres Investitionsprogramms für die öffentliche Infrastruktur im Umfang von 50 Milliarden Euro finanzieren. Dazu soll auch die Schuldenbremse „reformiert“, sprich, aufgeweicht werden. Deutschland investiere im internationalen Maßstab nur unterdurchschnittlich in seine Zukunft, kritisierte Habeck. 

Ganz am Ende des Entwurfs findet sich indes eine bemerkenswerte Einschränkung: „Wir können nicht versprechen, dass jedes einzelne Projekt genau so Wirklichkeit wird“. Auch nicht, dass „nach Corona jedes unserer Projekte noch finanzierbar ist“. Man verspreche aber, so viel zu erreichen, wie „irgend möglich“. Gefragt sei der Wille „zum Kompromiss“. So viel Realismus gab es noch nie in einem grünen Programmentwurf. Nach einer breiten Debatte soll das Werk im Juni auf einem Parteitag verabschiedet werden. Zuvor wollen Baerbock und Habeck allerdings noch die Kanzlerkandidatur unter sich ausmachen. Die Verkündung ist zwischen Ostern und Pfingsten geplant.

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