Viele offene Fragen bei Sicherungsverwahrung

Berlin/Saarbrücken. Wie lässt sich verhindern, dass Gewaltverbrecher freikommen, die noch als gefährlich gelten? Heftig haben Union und FDP in den vergangenen Wochen über das Thema Sicherungsverwahrung gestritten. Kaum hatten sie einen Lösungsvorschlag präsentiert, wird er von Kritikern aller Couleur zerpflückt

Berlin/Saarbrücken. Wie lässt sich verhindern, dass Gewaltverbrecher freikommen, die noch als gefährlich gelten? Heftig haben Union und FDP in den vergangenen Wochen über das Thema Sicherungsverwahrung gestritten. Kaum hatten sie einen Lösungsvorschlag präsentiert, wird er von Kritikern aller Couleur zerpflückt. Eine neue Form der Unterbringung soll zwar dafür sorgen, dass Straftäter, deren Entlassung aus der Sicherungsverwahrung ansteht, weiter in einer geschlossenen Anstalt bleiben können. Doch ein weiteres Wegsperren hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) ja mit jenem Urteil untersagt, das den jetzigen Gesetzgebungsprozess in Gang setzte. Der Greifswalder Kriminologe Frieder Dünkel bezweifelt, dass das Koalitionsvorhaben wirklich eine neue Form der Unterbringung darstellt. Er sieht in der Neuregelung lediglich eine "Umettikettierung" der bisherigen Sicherungsverwahrung. Weil das neue Konzept nichts Grundlegendes ändere, werde es vor den Europäischen Richtern genauso wenig Bestand haben wie die bisherige Regelung. Dagegen argumentieren die Befürworter, die geplante neue Form der Unterbringung sei keine Strafhaft. "Wir gehen davon aus, dass wir durch eine entsprechende Ausgestaltung der neuen Unterbringungseinrichtungen die Kritikpunkunkte des EGMR ausräumen können", heißt es im saarländischen Innenministerium. Die Bundesregierung will neue Einrichtungen schaffen, in denen Täter mit "psychischen Störungen" untergebracht und auf die Freilassung vorbreitet werden. Ihr schwebt eine Unterbringung zwischen Psychiatrie und Gefängnis vor. Saarlands Innenminister Stephan Toscani (CDU) will freigelassene Gewaltverbrecher in bundesweit vier bis sechs "Wegsperr-Dörfern" unterbringen. Das Saarland habe für eine eigene Einrichtung zu wenige Fälle, sagte Toscani der SZ.Zu den vielen offenen Punkten gehört die Frage, inwieweit jene 15 Straftäter, die nach dem Straßburger Urteil bereits freigelassen wurden, in eine der neuen Einrichtungen gebracht werden können. Darauf dringt das Saarland, das mit erheblichem Aufwand einen freigelassenen Sexstraftäter rund um die Uhr bewacht. Einige Länder sehen das neue Konzept skeptisch. "Es muss ein Fragezeichen gesetzt werden, ob der jetzt gefundene Kompromiss den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte entspricht", sagte der Chef der Länder-Justizministerkonferenz, Till Steffen (Grüne, Foto: ddp) aus Hamburg. Niedersachsens Ressortchef Bernd Busemann (CDU) meinte: "Ich bin von den Eckpunkten nicht sonderlich begeistert." Ein Problem sieht auch der Rechtspsychologe Steffen Dauer. "Es ist deutlich geworden, dass nicht alle der Betroffenen tatsächlich psychisch gestört sind", wendet er ein. Somit stelle sich die Frage, was mit jenen noch Sicherheitsverwahrten geschieht, die nicht psychisch gestört sind.

HintergrundDie Idee zur Einrichtung von "Wegsperr-Dörfern" stammt aus den Niederlanden. In einer Anstalt im Ort Veldzicht sind nach Angaben des Saar-Innenministeriums 22 gefährliche, nicht therapierbare Männer untegebracht. Das Gelände mit zwei Wohn-Pavillons ist mit einem Zaun, Videokameras und einem Wassergraben gesichert. Auf dem Gelände sind überall Bewegungsmelder angebracht. Die Bewohner können sich innerhalb des Geländes relativ frei bewegen. Ziel sei es, Patienten nicht im herkömmlichen Sinn zu therapieren, sondern "durch einen strukturierten Tagesablauf zu stabilisieren". kir/pg

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