Versöhnliche Signale aus Oggersheim

Ludwigshafen · Mit Spannung war der Besuch des umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban bei Helmut Kohl erwartet worden. Er endet mit einer Würdigung des Altkanzlers – und einem spontanen Bekenntnis zur deutsch-ungarischen Freundschaft.

 Orban (l.) überreicht Kohl in dessen Haus ein Geschenk. Foto: Biskup/dpa

Orban (l.) überreicht Kohl in dessen Haus ein Geschenk. Foto: Biskup/dpa

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Schnurstracks marschiert Viktor Orban nach seinem Besuch bei Altkanzler Helmut Kohl (CDU ) auf die Journalisten zu. Der umstrittene ungarische Regierungschef hat eine Botschaft zu überbringen. Wer allerdings glaubt, er werde unter dem blauen Pfälzer Himmel zur Verteufelung der deutschen Flüchtlingspolitik und zur Verteidigung der eigenen Abschottungsmaßnahmen anheben, sieht sich getäuscht.

Nach gut 80 Minuten im Oggersheimer Bungalow des Altkanzlers preist Orban auf offener Straße die deutsch-ungarische Freundschaft und die politischen Verdienste Kohls, der "ein großer Wert für ganz Europa" sei und über den aktiven Politikern stehe. Man solle Kohl nicht in irgendwelche politischen Debatten hineinziehen, bittet der Ungar - und verweist auch auf dessen Gesundheitszustand. "Es lebe die deutsch-ungarische Freundschaft " sagt er noch, steigt in einen von zwei schwarzen Kleinbussen mit ungarischem Kennzeichen und braust davon.

Worum es bei dem Besuch wirklich ging, erklären die Politiker später in einer mehrseitigen Pressemitteilung. Darin betonen sie, dass sie sich in der Flüchtlingspolitik nicht im Gegensatz zur Politik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) befinden, sondern sich in der Zielsetzung völlig einig sähen. "Die Bemühungen der Kanzlerin zeigten in dieselbe Richtung", heißt es in dem Text.

Diese Annäherung überrascht, da Orban in der Flüchtlingspolitik als einer der schärfsten Kritiker Merkels gilt. Als Erster in Europa hatte er sein Land mit Zäunen und restriktiven Asylgesetzen gegen Flüchtlinge abgeschottet. Zudem hatte er mit massiven fremdenfeindlichen Kampagnen Front gegen Migranten gemacht.

Die Ankündigung von Orbans Besuch brachte Kohl nicht nur Kritik aus anderen Parteien ein - sie ruft am Dienstag auch die Antifa Rheinpfalz auf den Plan. Allerdings sind es nur rund 15 Vertreter, die mit Transparenten und Parolen in Kohls Wohnviertel eintreffen, begleitet von fast ebenso vielen Polizeiwagen. "Say it loud, say it clear, refugees are welcome here" ("Sag es laut, sag es deutlich, Flüchtlinge sind hier willkommen") und "Offene Grenzen überall, Stacheldraht zu Altmetall" lauten ihre Parolen. Etwa 30 Meter von Kohls Haus entfernt stoppt sie ein Absperrgitter der Polizei . "So, dann macht's euch bequem", sagt Markus Schulz, der die Demo angemeldet hat. Denn man wisse ja nicht, wann Orban komme.

"Manchmal hat man auch schöne Demos auf gewisse Art, so ohne Stress", sagt der 52-Jährige angesichts des ruhigen Wohnviertels und des wärmenden Sonnenscheins. "Für uns steht Viktor Orban für einen beispiellosen Rechtsruck in Europa und für die Abschottung der EU", begründet er die Aktion. "Flüchtlinge bleiben, Orban vertreiben", rufen die Demonstranten bei der Ankunft des Ungarn.

Doch auch Orban-Fans haben sich unweit des Bungalows eingefunden - in Gestalt von acht AfD-Anhängern. "Herzlich willkommen" haben sie in deutscher und ungarischer Sprache auf eines ihrer Transparente geschrieben. Er finde, Orban habe das mit der Abschottung richtig gemacht, sagt Ralf Mehlem. Das sei "Politik für das eigene Volk", ergänzt einer seiner Parteifreunde.

Geteilte Meinungen auch bei den Bürgern, die an diesem Morgen in Oggersheim unterwegs sind. Rentner Norbert Sproll hat Verständnis für Orban. "Er schützt sein Land", sagt der 74-Jährige. "Den Orban finde ich ganz schrecklich", bekennt dagegen Kostümbildnerin Ingeborg Arp mit Blick auf die Flüchtlingspolitik und den Nationalismus des Regierungschefs . Überflüssig sei das, sagt sie. "Ungarn war immer ein Vielvölkerstaat."

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