US-Präsident Obama zeigt seine Bewunderung für Kanzlerin Merkel – Vermächtnis an Europa

Hannover · Die Polizei sprach von 35 000 Demonstranten, die Veranstalter zählten gar 90 000, die sich am Samstag in Hannover gegen die Freihandelsabkommen TTIP und CETA versammelt hatten. Auch gestern gingen wieder rund 200 auf die Straße.

 Ein Küsschen zur Begrüßung: Barack Obama und Angela Merkel demonstrieren vor Schloss Herrenhausen in Hannover ihre Verbundenheit. Foto: Nietfeld

Ein Küsschen zur Begrüßung: Barack Obama und Angela Merkel demonstrieren vor Schloss Herrenhausen in Hannover ihre Verbundenheit. Foto: Nietfeld

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Barack Obama macht Angela Merkel bei seinem letzten Auftritt als US-Präsident in Deutschland so etwas wie eine politische Liebeserklärung. "Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundschaft, die ich in meiner Amtszeit hatte." In der Flüchtlingspolitik sei sie auf der richtigen Seite der Geschichte, sagt Obama. Er sei froh, dass Merkel noch Kanzlerin sei, wenn er nicht mehr Präsident ist: "Die Welt wird davon profitieren, von ihrer sehr steten und konsequenten Präsenz. Und: "Sie tut, was sie verspricht." Er werde sie als Privatmensch weiter bewundern.

Es klingt wie ein Vermächtnis nicht nur an Deutschland, sondern an ganz Europa. Es ist ein Treffen in schwieriger Zeit. Obama ist zwar 2016 immer auch auf Abschiedstournee, kommt dabei aber aus gutem Grund nach Deutschland. Mehr und mehr sei die US-Regierung von der Sorge getrieben, Europa wanke im Angesicht der Probleme vom Ukraine-Konflikt bis zur Flüchtlingskrise, ist aus seinem Umfeld zu hören. Ein schwaches, uneiniges Europa vor den Türen Russlands? Das kann Washington nicht wollen.

Wen sollte Obama also sonst treffen, wenn nicht Angela Merkel? "Wir schätzen außerordentlich, dass sie so eine feste Hand gehabt hat in ihrer Politik", sagt Obama. Merkel revanchiert sich eher spärlich. "Unsere bilateralen Beziehungen sind gut, da brauchen wir nicht viel Zeit drauf zu verwenden." Ihrerseits zieht sie keine Bilanz der bislng rund siebenjährigen Beziehung. Dazu sei sie völlig außer Stande, weil es noch so viele Herausforderungen während Obamas restlichen Amtszeit gebe.

"Die Zukunft mit dem Präsidenten ist wichtiger als die Vergangenheit", sagt sie. Diese Zukunft dauert noch neun Monate. Merkel habe einen sehr guten Sinn für Humor, der sich aber nicht während jeder Pressekonferenz zeige, scherzt Obama. Womöglich hat sich der Charismatiker wenigstens diesmal eine etwas lockerere Kanzlerin gewünscht. Er lässt sich aber nicht beirren. "Ich will Angela noch einmal für ihre mutige Führungsrolle loben, die sie in Deutschland und Europa eingenommen hat, als verzweifelte Flüchtlinge aus dem syrischen Konflikt und Konflikten anderswo in der Region kamen", sagt er.

Und vielleicht weil ihn Merkels Biografie, die als Frau aus der DDR die Spitze des geeinten Deutschlands erklommen hat, schon immer begeisterte und berührte, fügt er hinzu: "Vielleicht, weil sie einmal selbst hinter einer Mauer gelebt hat. Angela versteht die Sehnsucht derer, denen ihre Freiheit verwehrt wurde und die nach einem besseren Leben suchen."

Eine von Obamas Hauptbotschaften an die Europäer ist: Die USA sind an eurer Seite, aber tut mehr! Jetzt, da der internationale Terrorismus im Herzen des Kontinents angekommen sei, wo die Wirtschaft nur mäßig laufe, die Verhandlungen über das umstrittene geplante TTIP-Handelsabkommen zwischen der EU und USA ins Stocken geraten sind und die Flüchtlingskrise noch lange nicht im Griff ist, da solle man besser zusammenhalten. Und, ganz konkret, mehr Geld für Verteidigung ausgeben.

Am Anfang ihrer Beziehung, 2008, hatte Merkel Obama verwehrt, als Präsidentschaftskandidat vor dem Brandenburger Tor zu sprechen. In Deutschland galt das in der hellen Vorfreude auf den Auftritt des Senators als etwas kleingeistig. Merkel würde aber immer wieder so handeln: Kandidaten gehören ihrer Ansicht nicht vor diesen symbolträchtigen Ort.

Gemessen an dem etwas holprigen Start sind die Jahre danach recht glatt verlaufen, trotz mancher Tiefen wie der Affäre um Merkels vom US-Nachrichtendienst abgehörtes Handy. Nun endet die gemeinsame Zeit im Amt mit einer Eloge Obamas auf Merkel. Am Brandenburger Tor hat Obama ja auch noch gesprochen, als Präsident, 2013.

Um eines beneidet er die Kanzlerin nicht, versichert Obama. Dass ihre Amtszeit anders als die seine nicht von vornherein begrenzt sei. "Ich liebe meinen Job", sagt er. Aber: "Ich habe eingesehen, wie klug es von den Gründern unseres Landes war, es so einzurichten." Es sei eine sehr gesunde Einstellung, dass es eine politische Abwechselung gebe.

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 Protest in Küken-Kostümen: Auch Umweltorganisationen machten in Hannover mit. Foto: Hollemann/dpa

Protest in Küken-Kostümen: Auch Umweltorganisationen machten in Hannover mit. Foto: Hollemann/dpa

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Hintergrund Fast zwei Drittel der Deutschen (62 Prozent) bedauern es einer Umfrage zufolge, dass Barack Obama nicht ein drittes Mal für das US-Präsidentenamt antreten darf. Nicht schade finden dies 34 Prozent, wie eine Emnid-Umfrage im Auftrag von "Bild am Sonntag" ergab. Eine Mehrheit von 51 Prozent hält es aus heutiger Sicht zudem für gerechtfertigt, dass Obama 2009 den Friedensnobelpreis erhalten hat. US-Präsident Obama ist ohne Gattin Michelle zu seinem Abschiedsbesuch nach Deutschland gekommen. Als der aus London einfliegende Obama gestern in Hannover landete, war die First Lady schon wieder zurück in den USA. Michelle Obama hatte ihren Mann zuvor begleitet und in London unter anderem die gerade 90 Jahre alt gewordene Queen und den kleinen Prinz George getroffen. Bevor sich der US-Präsident aber auf den Weg nach Deutschland machte, verließ Michelle die Delegation. Sie hatte einen Termin in den USA: Am Samstagabend hielt sie eine Rede vor Absolventen der Jackson State University im US-Bundesstaat Mississippi. dpa/afp

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