US-Gericht kippt Beschränkungen bei Wahlkampfspenden

Washington · Die wenigen Amerikaner mit dem meisten Geld haben künftig die lauteste Stimme in der US-Politik. Satte 3,6 Millionen US-Dollar (2,6 Millionen Euro) kann ein Einzelner pro Wahlkampfzyklus nun spenden.

Kein Wunder, dass das aufsehenerregende Urteil des Obersten Gerichtshofs der USA vielerorts für Kopfschütteln sorgt. "Das Gericht folgt dem Geld", schrieb die "New York Times" gestern. Die wahren Verlierer der Entscheidung sei die große Masse an Amerikanern, die nicht "bergeweise Geld auf die Wahlen kippen können", heißt es.

Bislang durfte eine Einzelperson in den zwei Jahren vor einer Wahl insgesamt 123 200 Dollar (knapp 90 000 Euro) an Kandidaten und Parteien spenden. Diese Beschränkung hob das Gericht nun auf, weil es die in der Verfassung verankerte Meinungsfreiheit einschränke, urteilte der Oberste Gerichtshof am Mittwoch. Zur Begründung meinte der Vorsitzende Richter John Roberts, es gebe kein wichtigeres Recht in der Demokratie als das Recht, auf Wahlen Einfluss zu nehmen.

Sofort nach dem Urteil wurden kritische Stimmen laut. Der Richterspruch werde "die bereits große Rolle des Geldes in der amerikanischen Politik verstärken", meinte beispielsweise die "New York Times". Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hingegen lobte das Urteil. "Ich bin für Freiheit. Glückwunsch!" Das Recht auf freie Meinungsäußerung schließe auch das Recht ein, sein Geld uneingeschränkt spenden zu können. Es bedurfte des Watergate-Skandals, um klare Grenzen zu ziehen. In den siebziger Jahren, als ganz Amerika - schockiert über die Methoden Richard Nixons - über politische Ethik diskutierte, einigte man sich auf strengere Regeln. Reiche Unternehmer sollten Wahlkämpfe mit ihren Spendenschecks nicht mehr über Gebühr beeinflussen können, war das Ergebnis der Debatte. Doch je mehr die Erinnerung an Watergate verblasst, umso schneller wird zurückgefahren, was es an Reformen gab. Die Folgen lassen sich im politischen Alltag Washingtons studieren: Wenn Interessengruppen zunehmend die Politik beider großer Parteien bestimmen, schwindet die Fähigkeit zum Kompromiss in der Mitte. Ein fataler Trend für die amerikanische Demokratie.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort