Unterwegs in Völklingens Untergrund

Völklingen. Wenn er im Kanal etwas plätschern hört, ist Michael Rodenbusch schnell angespannt und auf der Hut. Aber immer könne man das Wasser eben nicht hören. "Wenn man Pech hat, schießt das Abwasser plötzlich aus einem Zulaufrohr und erwischt einen bis zur Brust", sagt der Kanalfachmann

Völklingen. Wenn er im Kanal etwas plätschern hört, ist Michael Rodenbusch schnell angespannt und auf der Hut. Aber immer könne man das Wasser eben nicht hören. "Wenn man Pech hat, schießt das Abwasser plötzlich aus einem Zulaufrohr und erwischt einen bis zur Brust", sagt der Kanalfachmann. Doch das gehört zur Arbeit - der gelernte Maurer ist Bauleiter bei der Firma Zait und steigt regelmäßig in den Abgrund, um Kanäle zu reinigen, zu filmen oder zu sanieren. An den Geruch müsse man sich eben gewöhnen. "Wir sind abgehärtet", sagt Rodenbusch schmunzelnd, "und immun gegen alles". Trotzdem müssen alle Arbeiter gegen Hepatitis geimpft werden. Essensreste von Tellern und Töpfen, Seifen- und Abwaschwasser, WC-Papier und Fäkalien - alles landet ungefiltert im öffentlichen Kanalnetz.

In der Saarbrücker Straße, unweit vom Kraftwerk Fenne, parkt Rodenbusch seinen Lkw hinter zwei orangefarbenen Kastenwagen. Rot-weiße Hütchen sichern die Stelle am Straßenrand ab. Eine Gruppe Arbeiter in orangefarbenen Anzügen ist bereits um den Kanaldeckel versammelt - der Kanal soll verfilmt werden.

Mit einer Stange heben die Arbeiter den Deckel weg. Ein etwa drei Meter tiefer Schacht mit einer Metallleiter kommt zum Vorschein. Unten rinnt braunes Wasser. Hinter dem offenen Deckel steht der Spülbus. Im Kofferraum sind Schläuche aufgewickelt. Der Kanalfacharbeiter Hermann Zait nimmt einen, schraubt eine faustgroße Metalldüse, ähnlich einer Handgranate, darauf und lässt den Schlauch in den Schacht gleiten. Diese Hochdruckdüse reinigt den Kanal; sie wird auch bei Verstopfungen benutzt. Der Druck, mit dem Wasser aus fünf kleinen Löchern am hinteren Ende spritzt, lässt die Düse davonzischen - sie verschwindet in einem etwa 50 Zentimeter breiten Rohr und zieht den Schlauch nach. "Ob Geröll, Abfälle oder Fäkalien, die Düse frisst sich in alles hinein", sagt Rodenbusch. Ist der Kanal in Ordnung, gibt es normalerweise keine Verstopfung. Bei älteren Kanälen können Feuchttücher an unebenen Stellen hängenbleiben. "Wenn jemand etwas ins Klo stopft, das nicht hineingehört, wie Babywindeln oder einen Eimer Kartoffelsalat, bringt das eine einfache Klospülung nicht weg", fügt Rodenbusch hinzu.

Nach ein paar Minuten rollt Hermann Zait den Schlauch auf, holt die Düse wieder nach oben. Jetzt, wo das Rohr gesäubert ist, können die Kanalarbeiter die Kamera in den Schacht heben. Sie wiegt 35 Kilogramm und ist auf einem kleinen Metall-Wagen mit einem Gummiband auf fünf Rollen befestigt.

Doch vor dem Abstieg müssen die Gaswerte gemessen werden. "Im Kanal können sich Gase wie Methan und CO2 bilden. Es gab schon tödliche Unfälle, weil Arbeiter wegen Sauerstoffmangels ohnmächtig geworden und erstickt sind", erklärt Rodenbusch. Zait lässt einen schwarzen Kasten, einem Funkgerät ähnlich, in das Loch hinab. Das Gaswarngerät misst, dass genug Sauerstoff vorhanden ist. Mit Handschuhen und festen Schuhen klettern Rodenbusch und Zait die glitschige Leiter hinunter - sofort sind die Handschuhe braun. Es riecht feucht und muffig. Der Schacht, erst kürzlich renoviert, ist mit roten Ziegeln ausgekleidet. Am Boden strömt das braune Rinnsal entlang. Viel Platz ist nicht da unten. Dieser Schacht ist einer der wenigen begehbaren Kanäle in Völklingen.

Zwei Kanalrohre treffen im Schacht aufeinander und führen zum größeren Straßenkanal, der etwa zwölf Meter tief liegt und zur Kläranlage führt. "Hier kommt das Abwasser von ganz Klarenthal runter", sagt Rodenbusch und hebt die Kamera ins eben gereinigte Rohr. Oben sitzt sein Kollege im zweiten Fahrzeug und verfolgt auf zwei Bildschirmen die Aufnahmen. "Mit einem Laser können wir Unebenheiten erkennen", erklärt Alfred Mahlow. So können die Kanalrohre regelmäßig kontrolliert werden; etwa alle drei Jahre führt die Stadt Völklingen eine Grundreinigung durch.

Manchmal läuft auch eine Ratte durchs Bild. "Ratten sind überall, wegen der Essensreste", meint Rodenbusch. Im Angebot der Firma Zait sind auch Rattenstoppklappen für das WC - damit nicht plötzlich eine Ratte durch die Toilette kommt. Wenn man Pech hat, schießt das Abwasser plötzlich aus einem Zulaufrohr und erwischt einen bis zur Brust."

Michael Rodenbusch, Kanal-Spezialist

Auf einen Blick

Das Völklinger Kanalnetz ist 190 Kilometer lang, das saarländische Netz 6000 Kilometer. Zählt man außer den öffentlichen Leitungen auch Hausanschlüsse, also Zu- und Abflüsse von Haushalten, zum Kanalnetz, hinzu, sind es sogar 18 000 Kilometer. Damit alle Kanäle erreicht werden können, gibt es etwa alle 50 Meter einen Zugang - somit ist der saarländische Boden mit über 120 000 Kanaldeckeln übersät. Ein Grundstücksanschluss ist in der Regel 15 Zentimeter breit, die Rohre der Straßenkanäle messen zwischen 20 und 180 Zentimetern. wim

Hintergrund

Seit 1994 die Kläranlage in Wehrden in Betrieb ist, wurden nach und nach alle Stadtteile Völklingens daran angeschlossen, zuletzt Luisenthal, der Heidstock und Teile der Fenne. Das Abwasser wird künftig über einen Hauptsammler des Entsorgungsverbandes Saar (EVS) zur Kläranlage geleitet, der im Oktober fertiggestellt wurde. Für die Hausbewohner heißt das, dass sie ihre Klärgruben schließen und eine so genannte Kurzschließung an das öffentliche Kanalnetz finanzieren müssen. Die Leerung der Klärgrube vergütet die Stadt. wim

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