Unter Feuer

Saarbrücken · Schwule und Lesben fühlen sich verletzt, Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen verteidigt ihre umstrittenen Aussagen zur Homo-Ehe. Die Saar-CDU spricht von einer bösartigen Missinterpretation der Regierungschefin.

Vor allem in sozialen Netzwerken musste sich Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer teils wüste Beschimpfungen anhören. Foto: B&B

Vor allem in sozialen Netzwerken musste sich Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer teils wüste Beschimpfungen anhören. Foto: B&B

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Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich ihre Worte genau überlegt. Was die CDU-Landeschefin im SZ-Interview zur Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare gesagt hat, war keine unbedachte Äußerung. Eine Kontroverse hatte sie wohl eingepreist, vom Ausmaß aber wird sie überrascht gewesen sein. Auch davon, wie ihre Äußerungen direkt nach Veröffentlichung des Interviews gedeutet wurden. Aus ihrer Warnung, dass nach einer Öffnung der Ehe für Homo-Paare auch noch ganz andere Forderungen ("etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen") laut werden könnten, wurde die Schlagzeile "Kramp-Karrenbauer vergleicht Homo-Ehe mit Inzest und Polygamie" (so etwa "Süddeutsche online").

In sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter gab es einen "Shitstorm" aus Empörung, und Häme, ein Feuerwerk, wie es wohl noch kein saarländischer Politiker jemals abbekommen hat. Bei der Saarbrücker Staatsanwaltschaft liegt mittlerweile sogar die Anzeige einer Berliner Anwältin wegen Volksverhetzung und Beleidigung vor.

Aus den eigenen Reihen meldeten sich zunächst nur jene zu Wort, die Kramp-Karrenbauer nicht folgen wollten: Die Junge Union sprach sich dafür aus, dass auch homosexuelle Paare eine Ehe schließen dürfen. Die "Lesben und Schwulen in der Union" (LSU) forderten Kramp-Karrenbauer auf, ihre Aussage zurückzunehmen. "Wir können andere innerparteiliche Mehrheiten aushalten. Mit was wir nicht umgehen können, sind Argumentationen, die Menschen verletzen und jeder Grundlage entbehren", schrieb LSU-Landeschef Christian Düppre in einer Mitteilung.

In der CDU wurde die Zurückhaltung der Parteianhänger als "klassische Schweigespirale" betrachtet, ausgelöst durch den Proteststurm in den Medien: "Die Minderheit tobt, und die Mehrheit schweigt, weil sie denkt, sie ist in der Minderheit", sagt einer aus Kramp-Karrenbauers Umfeld. Es dauerte mehrere Stunden, ehe sich die Saar-CDU äußerte und Generalsekretär Roland Theis sich über eine "bösartige Missinterpretation" von Kramp-Karrenbauers Aussagen empörte. Die Regierungschefin selbst meldete sich am Mittwochabend via Facebook , um ihre Interview-Äußerungen zu erklären: Der Staat sei verpflichtet, Ehe-Gemeinschaften unter besonderen Schutz zu stellen, schrieb sie. "Öffnen wir den Ehe-Begriff zu weit, müssen unter Umständen in der juristischen Folge auch solche Gemeinschaften als Ehe anerkannt und geschützt werden, bei denen fraglich ist, ob wir diese wirklich besonders schützen sollten. Gerade im Hinblick auf die Folgen für das Adoptionsrecht bin ich der Meinung, wir sollten uns nicht vorschnell auf gesellschaftspolitische Experimente einlassen." Theis ergänzte noch, es sei "schon erstaunlich, wie gerade diejenigen, die ansonsten am lautesten für sich Respekt und Toleranz einfordern, in dieser Debatte die Äußerungen von Annegret Kramp-Karrenbauer uminterpretieren und dadurch herabwürdigen".

Dennoch, auch in der Saar-CDU wird heftig diskutiert, was genau Kramp-Karrenbauer mit dieser Äußerung bezwecken wollte. Seit Wochen wird in der Partei kontrovers über das Thema diskutiert. Am Montag erst hatte die Landtagsfraktion intensiv über das Thema debattiert. Ein nicht eben kleiner Teil der Fraktion zeigte sich aufgeschlossen für die Forderung, die Ehe für Homo-Paare zu öffnen. In Teilen des Landesverbandes, dessen Durchschnittsalter bei 59 Jahren und dessen Katholiken-Anteil bei fast 80 Prozent liegt, wuchs daraufhin die Unsicherheit, wie es die CDU nun eigentlich mit dem Thema hält.

Kramp-Karrenbauer fühlte sich womöglich unter Druck, zumal sie in den Tagen zuvor mitbekommen hatte, wie die Basis das Thema diskutiert: "In einer anderen Tendenz", wie sie selbst im SZ-Interview sagte.

Zum Thema:

Auf einen BlickReaktionen auf das SZ-Interview mit Kramp-Karrenbauer: Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD ): "Wir müssen die zivilrechtliche Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare öffnen. (…) Vergleiche mit Inzest und Polygamie bringen uns in dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit Sicherheit nicht weiter." Saarbrückens OB Charlotte Britz (SPD ): "Vergleiche wie die der Ministerpräsidentin verletzen Homosexuelle und heizen die Stimmung nur weiter auf." Heinz Bierbaum (Linke): "Frau Kramp-Karrenbauer offenbart ein Weltbild von vorgestern. Mit ihren Äußerungen schadet sie dem Ansehen des Saarlandes." Jasmin Maurer (Piraten): "Diese Aussage zeugt von einem derart archaischen Gesellschaftsbild, dass man erschreckt darüber sein muss, dass so jemand unser Land regiert." Klaus Kessler (Grüne): "Die Äußerungen zeugen von einer ignoranten und intoleranten Haltung." red

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