Union im Umfrage-Tief: Lagerkampf ist eröffnet
Berlin. Bislang hat man in der Union gerne die FDP für die miserable Lage der Koalition verantwortlich gemacht und zugleich hämisch den Absturz der Liberalen in den Umfragen begleitet. Inzwischen hat es die Union selbst erwischt: Nach vier Jahren liegt sie bei den Demoskopen nicht mehr vor der SPD
Berlin. Bislang hat man in der Union gerne die FDP für die miserable Lage der Koalition verantwortlich gemacht und zugleich hämisch den Absturz der Liberalen in den Umfragen begleitet. Inzwischen hat es die Union selbst erwischt: Nach vier Jahren liegt sie bei den Demoskopen nicht mehr vor der SPD. Der alte, immer irgendwie gärende Streit über das Profil der Partei ist deshalb erneut offen ausgebrochen.Es tobt ein Lagerkampf, den Generalssekretär Hermann Gröhe nun mit einer verlängerten Präsidiumsklausur schlichten will. Ursprünglich, hieß es gestern aus Parteikreisen gegenüber der SZ, sei die Klausur nur für den 13. September geplant gewesen. Jetzt werden aus einem Tag zwei.Dabei muss die Parteiführung es schaffen, zwei Lager zu versöhnen. Wieder einmal. Da sind die, denen der Modernisierungskurs der Vorsitzenden nicht passt. "Bis zur Unkenntlichkeit" sei das Profil der Union verwischt, schimpfte unlängst ein führender Christdemokrat. 40 Plus X, das war früher das in Stein gemeißelte Ziel, das mit Angela Merkel als Frontfrau im Wahlkampf aber nie erreicht wurde. Wer jedoch einen Anspruch als Volkspartei aufrechterhalten wolle, benötige diese Wahlergebnisse, sprach am Wochenende der saarländische Ministerpräsident Peter Müller das aus, was viele in der Union denken. Es sind derzeit vor allem die Landespolitiker, die mit Merkels Kurs und dem Zustand ihrer Regierung laut hadern, weil sie die Berliner Streitereien über Rente, Steuern, Wehrpflicht oder Atom in den Ländern auszubaden haben - Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus bekommt dies momentan zu spüren. Ihm droht 2011 im CDU-Stammland eine Abwahl.Neu ist, dass auch die Kanzlerin in der Rangliste der beliebtesten Politiker abgestürzt ist. Das hat etwas mit dem Bild der Koalition zu tun, aber ihre Kritiker empfinden dies auch als Beleg dafür, dass Merkels pragmatischer Stil die konservative Stammklientel verschreckt hat. Aus Bayern meldet sich CSU-Chef Seehofer mit Breitseiten gegen die Berliner Modernisierer zu Wort. Auf der anderen Seite stehen die Getreuen der CDU-Vorsitzenden, die den Weg der Neupositionierung der Union für unabdingbar halten, um neue Wählerschichten zur erreichen. Zu denen gehört Bildungsministerin Annette Schavan: Profil erwerbe eine Volkspartei nur dann, wenn sie stimmige Lösungen anbiete, "und nicht, indem sie ihr Profil in theoretischen Debatten zu bestimmen sucht". So oder so, die Debatte ist wieder eröffnet. Meinung
Der Frust ist groß
Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß Was für ein Glück für die Union, dass niemand den konservativen und vergrätzten Stammwählern eine neue Heimat bieten könnte. Das ist der Unterschied zur SPD: Die Frustrierten wanderten von dort einst ab zur neuen Linken. Von den schlimmsten Zeiten der Genossen ist die Union noch entfernt - bleibt die Frage, wie lange noch. Der Frust ist groß bei der Union, 40 plus X kaum noch zu erreichen. Die Partei zu modernisieren war allerdings richtig. Nur ist es Angela Merkel nicht gelungen, der Union eine neue christdemokratische Identität zu geben, die verbindet. Ihr Markenzeichen ist die Beliebigkeit geworden.