Union bangt schon jetzt um Ost-Stimmen

Berlin. "Die FDP hat geliefert, aber die CDU war schwach". An der Analyse von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel gibt es nichts zu deuteln. Hätte die Union nicht in Ostdeutschland versagt, wäre eine schwarz-gelbe Mehrheit schon bei der Bundestagswahl 2005 möglich gewesen

Berlin. "Die FDP hat geliefert, aber die CDU war schwach". An der Analyse von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel gibt es nichts zu deuteln. Hätte die Union nicht in Ostdeutschland versagt, wäre eine schwarz-gelbe Mehrheit schon bei der Bundestagswahl 2005 möglich gewesen. Mehr als ein Jahr vor dem nächsten Urnengang geht Angela Merkels Partei die Sache deshalb systematisch an. Gestern beschloss die Unionsführung in Halle ein Zehn-Punkte-Programm für die neuen Länder, und Merkel wie die anderen Präsiden schwärmten anschließend aus zu Besichtigungsterminen. Doch die Konkurrenz schläft nicht. 2005 fuhr die CDU in den neuen Ländern rund zwölf Prozentpunkte weniger ein als im Westen, nur 25,3 Prozent hier, aber 37,4 Prozent dort. Laut einer Umfrage von Allensbach ist die Lage heute eher noch schlechter geworden. Mit 23,6 Prozent Zustimmung liegt die Union zwischen Rostock und Chemnitz derzeit hinter der Linkspartei (31,6 Prozent) und der SPD (24,9 Prozent). Das ehrgeizige Ziel der Christdemokraten ist laut Partei-Generalsekretär Ronald Pofalla, bei der Bundestagswahl 2009 stärkste Kraft im Osten zu werden. Die Wähler lockt man mit einer großen Perspektive: In zehn Jahren solle der Osten "eine der wettbewerbsfähigsten und innovativsten Regionen im Herzen Europas sein", heißt es in dem Text. Nun gibt es "im Herzen Europas" ohnehin nicht viele Regionen, trotzdem merkte Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke süffisant an, der Satz klinge "wie ein zweites Blühende-Landschaften-Märchen". Kanzlerin Angela Merkel findet das Programm hingegen eine "kraftvolle Aktion". Wichtige Forderungen der Union sind die Fortsetzung der Investitionszulage bis 2013 und des Solidarpakts Ost bis 2019. Einen "zweiten Schub" erhofft sich die Partei auch von Öffnungsklauseln und Abweichungsmöglichkeiten für Betriebe oder Schulen. Für die Forschung soll es eine steuerliche Sonderförderung geben. Das alles werde in seinem Ministerium sowieso schon geprüft, funkte letzte Woche der Aufbau-Ost-Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) dazwischen, als das Unions-Papier erstmals vorgestellt wurde. Tiefensee legte sehr zur Verärgerung des Koalitionspartners seinerseits für die SPD ein Papier vor, in dem sechs "Handlungsfelder" beschrieben werden. Die wichtigsten Forderungen darin sind ein einheitlicher Mindestlohn von 7,50 Euro sowie die Angleichung der Renten und Löhne. An der finanziellen Förderung des Ostens will die SPD ebenfalls nichts ändern. Als dritte im Bunde zog gestern die FDP nach, deren stellvertretende Vorsitzende Cornelia Piper sich bei einem eilends anberaumten Pressetermin in Berlin dafür aussprach, Regelungen im Arbeits- und Baurecht "befristet" auszusetzen, um so den Osten zu einer "Modellregion für ganz Deutschland" zu machen. Unmittelbar nach der Wende hatte die FDP Ähnliches gefordert, war aber an Helmut Kohls Grundsatz "ein Land, ein Recht" gescheitert. Ob das Werben der Parteien ankommt, ist fraglich. Ökonomisch, weil laut einer Studie des Hallenser Instituts für Wirtschaftsforschung die neuen Länder 2009 bei den Wachstumsraten wieder deutlich hinter dem Westen zurückfallen werden. Und politisch, weil die Verdrossenheit im Osten enorm zugenommen hat. So ergab eine am Wochenende im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlichte Umfrage, dass 53 Prozent der Ostdeutschen nicht glauben, die Demokratie könne Probleme lösen; 51 Prozent wollen gar nicht erst zur Wahl gehen. wk

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