UN-Experten bewerten Assanges Exil als unrechtmäßige Haft

London · Tauziehen um Julian Assange: Der Wikileaks-Gründer bekommt Rückendeckung durch eine UN-Arbeitsgruppe. Ob er damit sein Botschaftsexil in London nach dreieinhalb Jahren beenden kann, ist jedoch ungewiss.

Eine Expertengruppe des UN-Menschenrechtsrates hat die jahrelange Botschaftszuflucht des Wikileaks-Gründers Julian Assange (44) als eine Form von unrechtmäßiger Haft eingestuft. Das bestätigte das schwedische Außenministerium gestern. Dem UN-Gremium zufolge sei die Festsetzung willkürlich und verstoße gegen internationale Konventionen, sagte eine Sprecherin. Die schwedische Regierung nehme zur Kenntnis, dass die UN-Arbeitsgruppe zu einer anderen Bewertung gekommen sei als die schwedische Justiz.

Assange hatte 2014 bei den Rechtsexperten geltend gemacht, er sei "willkürlich inhaftiert", da er die Botschaft Ecuadors in London nicht verlassen könne, ohne umgehend festgenommen zu werden. Der Australier sitzt seit dreieinhalb Jahren dort im Exil . Wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs in Schweden liegt ein europäischer Haftbefehl gegen ihn vor. Außerdem droht dem Whistleblower, der maßgeblich an der Veröffentlichung geheimer US-Dokumente auf der Plattform Wikileaks beteiligt war, möglicherweise lebenslange Haft in den USA.

Unabhängig von der Bewertung der UN-Experten sehen sich Polizei und Behörden in Großbritannien laut verschiedener Medienberichte weiterhin in der Pflicht, Assange festzunehmen und an Schweden ausliefern. "Wir sind uns völlig darüber im Klaren, dass Herr Assange niemals willkürlich inhaftiert wurde", erklärte das britische Außenministerium laut "Guardian". Vielmehr umgehe er eine rechtmäßige Verhaftung, indem er sich freiwillig in der ecuadorianischen Botschaft aufhalte. "Der Vergewaltigungsvorwurf und ein europäischer Haftbefehl bestehen weiterhin." Auch die Staatsanwaltschaft in Schweden betonte, das Statement der UN-Arbeitsgruppe habe keine Auswirkungen auf die laufenden Ermittlungen.

Assange hatte gestern auf seiner Enthüllungsplattform erklärt, er werde sich der Polizei stellen, sollte sich die UN-Arbeitsgruppe gegen seine Auslegung des Falls aussprechen. "Sollten die Vereinten Nationen bekanntgeben, dass ich meinen Fall gegen das Vereinigte Königreich und Schweden verloren habe, werde ich die Botschaft Freitagmittag verlassen, und werde mich festnehmen lassen, da es keine realistische Möglichkeit der Berufung gibt", schrieb Assange. Zudem kündigte der Wikileaks-Gründer eine Pressekonferenz für heute Mittag per Skype an.

Assange erklärte, sollte die UN-Arbeitsgruppe seine Sicht der Lage teilen, erwarte er sofort seinen Reisepass zurück. Zudem müssten dann alle Versuche, ihn festzunehmen, eingestellt werden. Einschätzungen der unabhängigen Experten sind allerdings auch nach ihrer Veröffentlichung nicht rechtlich bindend.

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