Tweets, Theater, Turbulenzen

Washington · Mit dem vollmundigen Versprechen, das Land rasant umzukrempeln, ging Donald Trump als US-Präsident an den Start. Seine Bilanz nach 100 Tagen fällt eher mager aus.

Beginnen wir mit den hundert Tagen. Franklin Delano Roosevelt wurde 1933 am Tiefpunkt der Großen Depression ins Weiße Haus gewählt. In seinen ersten hundert Tagen im Amt schleuste er damals, um die wirtschaftliche Wende einzuleiten, 15 wichtige Gesetze durchs Parlament. Seitdem muss sich jeder seiner Nachfolger fragen lassen, was er innerhalb dieser Frist auf den Weg gebracht hat. So willkürlich die Zeitspanne sein mag, so ungerecht der Vergleich: Auch Donald Trump hat einst bereitwillig zugestimmt, sich an Roosevelt messen zu lassen.

Sein Reformplan, tönte er im Wahlkampf, werde Millionen von Menschen aus der Armut holen, er werde die Löhne dramatisch steigen lassen und im Laufe von zehn Jahren mindestens 25 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen: "Wir können den kompletten Plan schon in unseren ersten hundert Tagen beschließen, und das werden wir tun." Heute klingt er, als wäre es eine Zumutung, ihn daran zu erinnern. Hundert Tage, es sei lächerlich, einen solchen Meilenstein zu setzen, twitterte er. Egal was er in der Zeit erreicht habe, und es sei eine Menge, die Medien würden es sowieso madig machen.

Bei "Saturday Night Live", Amerikas populärster Satire-Show, haben sie seine eher bescheidene Bilanz mit feinem Spott auf die Schippe genommen. Gespielt vom genial vertrottelten Alec Baldwin, sitzt Trump mit feierlicher Miene am Mahagonischreibtisch, während sein beflissener Stellvertreter Mike Pence ebenso feierlich eine Ledermappe aufschlägt, um eine Liste der seit Januar erzielten Erfolge zu verlesen. "Neil Gorsuch für den Obersten Gerichtshof nominiert", sagt er und klappt die Mappe wieder zu. Großes Theater, wenig Substanz, so lesen Kritiker die ersten 100 Tage.

Trumpcare, die Reform der Gesundheitsreform Barack Obamas, scheiterte beim ersten Anlauf am Widerstand der Tea-Party-Rebellen. Ein Infrastrukturprogramm, finanziert mit einer Billion Dollar, lässt auf sich warten, obwohl Trump es nach seinem Wahlsieg zur höchsten Priorität erklärte. Die angepeilte Steuerreform droht die Staatsverschuldung derart ausufern zu lassen, dass sie im Kongress noch gründlich zerpflückt werden dürfte, bevor sie Gesetzeskraft erlangt. Trumps außenpolitisches Team, dirigiert von seinem neuen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster, wird zwar selbst von liberalen Kommentatoren dafür gelobt, dass es den Populisten von isolationistischen Irrwegen zurück auf einen traditionell konservativen Kurs lotste, ohne etwa die Nato infrage zu stellen. Innenpolitisch aber hat der Präsident außer Stückwerk bislang nichts vorzuweisen. Neuerdings lässt er sogar so etwas wie Demut erkennen, der Egomane Trump, der noch vor Monaten behauptete, er allein könne die Probleme des Landes lösen. Jedes einzelne Ministerium sei größer als jedes Unternehmen, das er kenne, sagte er der Nachrichtenagentur AP. "Wissen Sie, ich begreife erst jetzt, wie groß das alles ist. Und was für eine Verantwortung man trägt."

Wenn das, was an Splittern über das Leben des 70-Jährigen im Weißen Haus bekannt wurde, ein Bild ergibt, dann ist es das Bild eines Menschen, der - wie schon früher - ausgiebig fernsieht. Setzt er morgens seine ersten Tweets in die Welt, basieren sie oft auf Sendungen, die am Abend zuvor liefen, in aller Regel bei Fox News, dem Hauskanal der Konservativen. Gegen 18.30 Uhr zieht er sich in seine Privatgemächer zurück, dann hockt er stundenlang vor dem Bildschirm, nach Recherchen der "New York Times" oft im Bademantel. First Lady Melania bleibt bis zum Sommer in New York, damit der elfjährige Sohn Barron nicht mitten im Schuljahr die Schule wechseln muss. Und die Stadt, in der er seit drei Monaten wohnt, interessiert Trump offenbar nur am Rande, ohnehin scheint sich seine Neugier in Grenzen zu halten. Verlässt er abends doch mal das Haus, lässt er sich in aller Regel in ein nach ihm benanntes Luxushotel fahren, gleich um die Ecke. Dort bestellt er, was er schon immer bestellt hat: gut durchgebratenes Steak mit Ketchup.

Dass er fast jedes Wochenende in Mar-a-Lago verbringt, seinem Nobelclub in Palm Beach, hat die Rechner auf den Plan gerufen. Jede Reise nach Florida kostet den Steuerzahler rund 3,6 Millionen Dollar, wobei allein eine Flugstunde an Bord der Air Force One mit 180 000 Dollar zu Buche schlägt. Jedes Mal macht der Reisende einen Abstecher zum Trump International Golf Club, eine Viertelstunde von Mar-a-Lago entfernt. Im Durchschnitt spielt er alle 5,9 Tage Golf, hat die "Palm Beach Post" ermittelt. Obama fuhr, statistisch gesehen, an jedem neunten Tag auf einen Golfplatz. Trump hat ihn einst heftig gescholten wegen seiner Freizeitgestaltung, nur um ihn jetzt noch zu übertreffen. Ansonsten legt er auf sonderbare Art gesteigerten Wert auf nebensächliche Details. Als er bei Fox erzählte, wie er seinen chinesischen Amtskollegen Xi Jinping beim Nachtisch in Mar-a-Lago über seinen Raketenangriff auf eine syrische Luftwaffenbasis informierte, schwärmte er vom "schönsten Stück Schokoladenkuchen, das Sie je gesehen haben". "Und Präsident Xi hat es geschmeckt."

Ob er den Mann als Enttäuschung empfindet? "Ach was", wehrt Lou Mavrakis ab, "er hat eine Chance verdient, eine faire Chance, meine ich". Mavrakis ist Bürgermeister von Monessen, einer früheren Stahlstadt in der Nähe von Pittsburgh. Ein Leben lang Demokrat, aber eben auch einer, der in Trump einen Rebellen sah, mit dem er sich am Establishment im Raumschiff Washington rächen konnte. "Rom wurde ja auch nicht an einem Tag erbaut", nimmt er ihn in Schutz. Dabei gibt es manches, was Mavrakis irritiert. "Ich habe es satt, dass dieses Land für alle Welt die Nummer 911 ist", poltert er. 911, das ist in den USA die Nummer des Notrufs. Dass Trump in Syrien intervenierte, hat dem Bürgermeister nicht gefallen. Die Regierung möge sich darauf konzentrieren, das eigene Land aufzubauen. Zum Beispiel Monessen, wo das Abwassersystem, seit über 100 Jahren nicht mehr erneuert, so marode sei, dass nichts mehr richtig abfließe. Jedenfalls will Mavrakis Trump noch ein wenig Zeit geben. "Wenn sich bis 2018 nichts gebessert hat, dann weiß ich, Trump hat uns angelogen, genau wie all die anderen, die in den letzten 30 Jahren im Weißen Haus saßen."

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Trump warnt vor "großem Konflikt" mit Nordkorea US-Präsident Donald Trump sieht die Gefahr einer Eskalation im Streit mit Nordkorea. "Es besteht die Möglichkeit, dass wir am Ende einen großen, großen Konflikt mit Nordkorea haben", sagte Trump der Agentur Reuters. Der Direktor des Instituts für Ostasienwissenschaften an der Universität Wien, Rüdiger Frank, hat indes die Politik des Westens gegenüber Nordkorea kritisiert. "Nordkorea befindet sich mitten in einer Transformation nach chinesischem Muster, die durch Sanktionen und äußeren Druck nur verzögert wird. Wir sollten sie aber vielmehr unterstützen", sagte Frank der SZ. Das Interview mit Frank lesen Sie auf www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero

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