Türkei übt Vergeltung in Syrien

Istanbul. Der Konflikt in Syrien weitet sich gefährlich aus: Zum ersten Mal seit Ausbruch der Unruhen gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad im März 2011 hat es militärische Auseinandersetzungen zwischen Syrien und dem Nachbarn Türkei gegeben

Istanbul. Der Konflikt in Syrien weitet sich gefährlich aus: Zum ersten Mal seit Ausbruch der Unruhen gegen die Regierung von Präsident Baschar al-Assad im März 2011 hat es militärische Auseinandersetzungen zwischen Syrien und dem Nachbarn Türkei gegeben. Nachdem gestern Nachmittag fünf Zivilisten in der südosttürkischen Grenzstadt Akcakale beim Einschlag syrischer Artilleriegeschosse ums Leben kamen, nahmen türkische Einheiten am Abend mehrere Ziele in Syrien unter Beschuss. Die türkische Regierung schaltete zudem die Nato ein.

Akcakale liegt nur wenige hundert Meter von der syrischen Grenze entfernt. In unmittelbarer Grenznähe wird auf syrischer Seite seit Wochen gekämpft; im September hatten Rebellen dort einen Grenzposten unter ihre Kontrolle gebracht. Seitdem schlugen hin und wieder Geschosse auf der türkischen Seite ein, was bisher aber keine ernsteren Folgen hatte. Die türkischen Behörden gingen davon aus, dass es sich um Querschläger handelte.

Das war nach Überzeugung der Regierung in Ankara gestern anders. Um etwa 16.30 Uhr Ortszeit gingen mehrere syrische Artilleriegranaten in Akcakale nieder und explodierten. Dabei kamen fünf Zivilisten ums Leben; nach einigen Berichten handelte es sich um eine Frau und vier Kinder. Mehrere andere Menschen wurden verletzt, einige schwer.

Türkische Militärs und Politiker kamen bei einer ersten Untersuchung des Vorfalls zu dem Schluss, dass es sich nicht um einen Zufall handelte. Auf die Frage, ob die türkische Regierung davon ausgehe, dass die Zivilisten bei einem gezielten Beschuss durch syrische Regierungstruppen ums Leben kamen, antwortete ein hochrangiger türkischer Diplomat auf Anfrage unserer Zeitung: "Ja."

Schon im April hatte es im türkisch-syrischen Grenzgebiet Tote gegeben. Damals schossen syrische Truppen über die Grenze hinweg auf Flüchtlinge, die sich in der Türkei in Sicherheit bringen wollten. Zwei Syrer starben, mehrere türkische Beamte in einem nahen Flüchtlingslager wurden verletzt. Nach dem Abschuss eines türkischen Aufklärungsflugzeugs vor der syrischen Küste im Juni warnte die türkische Regierung, jede Truppenbewegung der Syrer in der Nähe der Grenze werde ab sofort als Bedrohung aufgefasst und militärisch beantwortet. Der Artilleriebeschuss von gestern Abend war die erste Umsetzung dieser Warnung.

Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wandte sich an die Uno und an die Nato; die Botschafter der Allianz kamen noch in der Nacht zu einer Sondersitzung zusammen. Das türkische Parlament tagt heute in einer Dringlichkeitssitzung.

Hintergrund

Die Kämpfe in Syrien zwischen Regime und Opposition tobten auch gestern weiter. In Aleppo und Deir as-Saur explodierten fünf Autobomben. Allein in Aleppo starben laut Menschenrechtlern 48 Menschen. dpa

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