Tschetschenien feiert Ende des Krieges

Grosny/Moskau. Wie einen Sieg nach einem langem Krieg feierte der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow (Foto: dpa) das offizielle Ende des russischen Militäreinsatzes im einst zerstörten Grosny

Grosny/Moskau. Wie einen Sieg nach einem langem Krieg feierte der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow (Foto: dpa) das offizielle Ende des russischen Militäreinsatzes im einst zerstörten Grosny. Der Sohn des 2004 bei einem Anschlag getöteten Präsidenten Achmat Kadyrow hat die russische Teilrepublik mit Moskaus Milliardenerlösen aus Öl-und Gasgeschäften nach zwei Kriegen überraschend schnell wieder aufbauen lassen. Sogar die schärfsten Kritiker des oft als Despoten beschimpften Kadyrow müssen einräumen, dass der erst 32-Jährige der islamisch geprägten Region Stabilität brachte.

Von den Unabhängigkeitsbestrebungen Tschetscheniens, die vor 15 Jahren zum ersten Krieg mit Russland führten, ist in der Konfliktregion im Nordkaukasus derzeit tatsächlich kaum noch etwas zu spüren.

Wer heute durch Grosny geht, muss schon genau nach den Kriegsspuren suchen. Im Zentrum der Hauptstadt überwiegt der Glanz glatt geschliffener Steinfassaden. Hunderte Muslime beten täglich stolz in der prächtigen Moschee. Und auf der Hauptstraße treffen sich Menschen in Cafés und Restaurants. Nachts erstrahlt die Stadt in einem Meer aus Lichtern. In einem Theater führen tschetschenische Schauspieler Shakespeare-Dramen in ihrer Landessprache auf. Viele Menschen sind voll des Lobes für den "Helden Ramsan Kadyrow", der von riesigen Fassadenplakaten die Stadt zu überwachen scheint. Die Passanten sind dankbar, dass viel von dem Geld aus Moskau für "uns, das Volk" ausgegeben wurde und nicht in korrupten Strukturen verloren ging. "Wer den Krieg miterlebt hat, begnügt sich mit wenig", sagt eine Marktfrau in Grosny. Nur wenige beschweren sich, in den vielen neu gebauten Wohnungen gebe es meist keine Heizung und kein warmes Wasser. Die 2006 ermordete Tschetschenien-Reporterin Anna Politkowskaja hatte Kadyrow noch als "Mann des Krieges und Terrors" kritisiert. Bis heute werfen Menschenrechtler dem Präsidenten Verstrickungen in Morde, Folter und Entführungen vor. In seiner Heimat erlebt der 32-Jährige einen zunehmenden Personenkult. Studenten an der Universität in Grosny hoffen ungeachtet einer Arbeitslosigkeit von deutlich über 50 Prozent auf eine friedliche Zukunft in ihrem Land. Die Mädchen tragen wie die meisten muslimischen Frauen in Tschetschenien auch in öffentlichen Gebäuden Kopftücher. Darin sehen Beobachter eine zunehmende Islamisierung des Landes, das enge Kontakte zur arabischen Welt unterhält. Auch Experten meinen, dass Kadyrow dem Kreml längst entglitten ist, aber wegen seiner Popularität zur Wahrung der Stabilität nicht mehr zu bremsen ist. Kadyrow selbst sieht das offizielle Ende des Krieges nun als Chance, das Land weiter wirtschaftlich und sozial zu entwickeln. Er erklärte den 16. April, der auch den Rückzug der 20 000 russischen Soldaten einleitete, zum Feiertag. dpa

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