Tschechische Regierung mitten in EU-Präsidentschaft gestürzt

Prag. Mitten in der EU-Ratspräsidentschaft ist die tschechische Regierung durch ein Misstrauensvotum des Parlaments gestürzt worden. Gegen die Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Mirek Topolanek stimmten gestern 101 der 200 Abgeordneten des Prager Unterhauses. Führende Europapolitiker äußerten sich besorgt über die Zukunft des EU-Reformvertrags

Prag. Mitten in der EU-Ratspräsidentschaft ist die tschechische Regierung durch ein Misstrauensvotum des Parlaments gestürzt worden. Gegen die Mitte-rechts-Regierung von Ministerpräsident Mirek Topolanek stimmten gestern 101 der 200 Abgeordneten des Prager Unterhauses. Führende Europapolitiker äußerten sich besorgt über die Zukunft des EU-Reformvertrags. Topolaneks Regierung muss nun zurücktreten, allerdings sieht die Verfassung hierfür keinen genauen Zeitplan vor. Der bereits fünfte Misstrauensantrag der Opposition in zwei Jahren hatte Erfolg, weil sich vier unabhängige Abgeordnete, die früher der Regierungskoalition angehörten, gegen den Ministerpräsidenten stellten. Die Koalition aus Topolaneks konservativer Demokratischen Bürgerpartei (ODS) sowie aus Christdemokraten und Grünen zählt 96 der 200 Sitze; die oppositionellen Sozialdemokraten und Kommunisten haben zusammen 97 Sitze. Außerdem sitzen sieben unabhängige Abgeordnete im Prager Unterhaus. Zuletzt hatte der seit Januar 2007 regierende Topolanek im vergangenen Oktober eine knappe Mehrheit im Parlament hinter sich gebracht. Dem jüngsten Misstrauensantrag gingen Vorwürfe gegen einen Berater des Ministerpräsidenten voraus, der Druck auf das staatliche Fernsehen ausgeübt haben soll. Außerdem steht Topolanek wegen seiner Politik in der Wirtschaftskrise in der Kritik. Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie vertraue auf eine "effiziente" Fortführung der tschechischen Ratspräsidentschaft. Das Auswärtige Amt in Berlin verfolgt nach Angaben eines Sprechers die Entwicklung in Prag "sehr aufmerksam". Die Bundesregierung gehe jedoch davon aus, dass die Handlungsfähigkeit des EU-Ratsvorsitzes gewährleistet sei. Der CDU-Europaabgeordnete und Experte für Außenpolitik, Elmar Brok, zeigte sich bestürzt über das Ende der tschechischen Regierung. Damit könnte der EU-Reformvertrag möglicherweise "beerdigt werden", sagte Brok der Presse. Der gestürzte Ministerpräsident Mirek Topolanek habe nun keine Möglichkeit mehr, auf den Senat einzuwirken, der den Vertrag im Herbst noch billigen muss. afp

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